BGH v. 9.2.2023 - I ZR 61/22

Zu den Kosten für ein Abschlussschreiben

Den Schuldner einer einstweiligen (Beschluss-)Verfügung trifft gegenüber dem Gläubiger mit Ablauf der Wartefrist von im Regelfall zwei Wochen, die der Gläubiger vor der Versendung eines Abschlussschreibens einzuhalten hat, eine Aufklärungspflicht über den Entschluss zur Erhebung eines Widerspruchs gegen die einstweilige (Beschluss-)Verfügung. Wird der pflichtwidrig unterlassene Hinweis des Schuldners adäquat kausal für die Kosten eines - objektiv nicht mehr erforderlichen - Abschlussschreibens des Gläubigers, kann das einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auslösen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen fünf behaupteter Wettbewerbsverstöße ab und setzte ihr eine Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung. Nachdem die Beklagte innerhalb der Frist nicht reagierte, beantragte die Klägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die das LG mit Beschluss vom 23.8.2018 erließ. Gegen den ihr am 3.9.2018 zugestellten Beschluss erhob die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.9.2018 Widerspruch. Am 24.9.2018 verfügte die Vorsitzende Richterin die Übersendung einer Abschrift dieses Schriftsatzes an die Klägerin. Die Geschäftsstelle vermerkte am 4.10.2018 die Erledigung dieser Verfügung.

Die beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangene Abschrift des Schriftsatzes wurde mit einem Posteingangsstempel vom 9.10.2018 versehen. Die Klägerin trug vor, sie habe an diesem Tag Kenntnis von dem Widerspruch erhalten; die Beklagte behauptete, dies sei bereits zuvor am 26.9.2018 erfolgt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 8.10.2018 forderte die Klägerin die Beklagte auf, bis zum 30.10.2018 zu der einstweiligen Verfügung eine Abschlusserklärung abzugeben. Auf den Widerspruch der Beklagten erließ das LG ein die einstweilige Verfügung bestätigendes Urteil. Ihre hiergegen gerichtete Berufung nahm die Beklagte nach einem Hinweis des Berufungsgerichts zurück.

Vorliegend nimmt die Klägerin die Beklagte auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten für das Abmahnschreiben i.H.v. rd. 750 € (Klageantrag Ziffer 1) sowie für das Abschlussschreiben i.H.v. rd. 1.800 € (Klageantrag Ziffer 2), jeweils nebst Zinsen, in Anspruch.

Das LG gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten sprach das OLG der Klägerin lediglich einen Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung zu und wies die Klage im Übrigen ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht nicht verneint werden.

In der BGH-Rechtsprechung ist anerkannt, dass berechtigte Ansprüche nach dem UWG eine - durch die Abmahnung oder auch durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung konkretisierte - wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung eigener Art begründen, die in besonderem Maße durch Treu und Glauben und das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme bestimmt wird. Daraus können sich abhängig von den konkreten Umständen Pflichten zur Aufklärung ergeben, insbesondere wenn dem anderen Teil als Folge des Verhaltens des Verletzers Kostenschäden drohen, die durch die Aufklärung unschwer zu vermeiden sind.

Bei dem Abschlussschreiben handelt es sich um ein in der Praxis gebräuchliches und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkanntes Instrument. Daher muss ein im Verfahren der einstweiligen Verfügung unterlegener Schuldner damit rechnen, dass der Gläubiger seinem Rechtsanwalt unmittelbar nach Ablauf der Wartefrist den Auftrag erteilt, ein Abschlussschreiben zu versenden. Der Schuldner muss hierbei berücksichtigen, dass ein Gebührenanspruch des Rechtsanwalts des Gläubigers bereits mit dessen erster Tätigkeit für die Ausführung dieses Auftrags entsteht.

Vor diesem Hintergrund trifft den Schuldner während des Laufs der Wartefrist zwar noch keine Aufklärungspflicht. Mit Ablauf der Wartefrist muss er dem Gläubiger aber mitteilen, dass er sich zur Erhebung eines Widerspruchs entschlossen oder sogar schon Widerspruch erhoben hat. Insbesondere darf er sich nicht darauf verlassen, dass das Gericht dem Gläubiger den Widerspruch zur Kenntnis bringt. Die damit einhergehende Verzögerung kann er unschwer vermeiden, indem er dem Gläubiger seinen Schriftsatz von Anwalt zu Anwalt zustellt oder vorab zur Kenntnis übermittelt. Wird der Widerspruch nicht unmittelbar erhoben, nachdem der Schuldner seinen dahingehenden Entschluss gefasst hat, kann er sogar gehalten sein, den Gläubiger schon vorab zu informieren.

Wird der pflichtwidrig unterlassene Hinweis adäquat kausal für die durch das objektiv nicht erforderliche Abschlussschreiben verursachten Kosten, kann das einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auslösen. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung hat der Schädiger allerdings nur solche Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sind.

Ein solcher Schadensersatzanspruch der Klägerin kommt hier in Betracht. Die Beklagte hat ihren Entschluss, Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung zu erheben, spätestens am 17.9.2018, dem Tag der Erhebung des Widerspruchs, gefasst. Das LG hat sich keine Überzeugung davon verschaffen können, dass der Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe am 26.9.2018 Kenntnis von dem Widerspruch gehabt, zutrifft. Die Klägerin hat vorgebracht, diese Kenntnis erst am 9.10.2018 erlangt zu haben. Aus Sicht der Klägerin war die Beauftragung des am 8.10.2018 versandten Abschlussschreibens nach Ablauf der am 17.9.2018 endenden Wartefrist erforderlich und zweckmäßig, wenn sie zum Zeitpunkt der Beauftragung noch keine Kenntnis vom Widerspruch der Beklagten hatte.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.05.2023 15:30
Quelle: BGH online

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