LG Köln v. 30.3.2023 - 36 O 290/20

Online-Glücksspiel ohne Lizenz bleibt auch für Sportwetten rechtswidrig

Die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche hängt nicht davon ab, ob Verwaltungsbehörden öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten durchsetzen. Auch wenn der Beklagten ein Anspruch auf Erteilung einer Konzession zustünde, so führte dies nicht dazu, dass bereits vor tatsächlicher Konzessionserteilung im Verhältnis zum spielenden Verbraucher zu dessen Nachteil aus dem verbotenen Angebot eines Online-Glücksspiels bereits ein erlaubtes Online-Glücksspiel würde.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte bietet online Glücksspiele an wie etwa Casino, Roulette, Black Jack, Slots und Sportwetten. Mit dem Inkrafttreten des GlüStV 2012 haben die Länder das erste bundesweite Sportwettenerlaubnisverfahren in Gang gesetzt. Daraufhin beantragte die Beklagte beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport eine bundesweite Konzession für Sportwetten. Am 2.9.2014 teilte die Behörde mit, dass die Beklagte die Voraussetzungen für die Konzessionserteilung erfülle. Erst im Oktober 2020, nach einem erneuten Vergabeverfahren, wurde die Konzession dem Schwesterunternehmen der Beklagten erteilt.

Der Kläger nutzte die Internetseiten der Beklagten mindestens im Zeitraum vom 22.2.2017 bis zum 23.5.2020. Er forderte die Beklagte zunächst außergerichtlich zur Rückzahlung der von ihm verspielten Beträge auf. Er sei davon ausgegangen, dass die Angebote der Beklagten legal seien, weshalb er diese ständig nutzte und dabei insgesamt 63.261 € davon 22.723 € bei Sportwetten verspielt habe. Das Sportwettenangebot der Beklagten verstoße jedoch gegen § 4 Abs.1 S. 2 GlüStV 2012 i.V.m.. § 4 Abs.4 GlüStV 2012. Eine Leistungskondiktion sei nicht nach § 817 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Sie war Ansicht, dass deutsches Recht nicht anwendbar sei. Es handele sich zudem um einen Verlust und nicht um einen Schaden.

Das LG hat der Klage stattgegeben.

Die Gründe:
Soweit der Kläger Ansprüche im Zusammenhang mit dem von ihm mit der Beklagten geschlossenen Verträgen geltend gemacht hatte, fand gem. Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO deutsches materielles Recht Anwendung. Insofern war der vom Kläger mit der Beklagten geschlossene Vertrag über die Teilnahme an Online-Sportwetten wegen eines Verstoßes gegen §§ 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4. GlüStV 2012 nichtig. Das von der Beklagten angebotene Online-Sportwettenangebot stellte ein verbotenes Online-Glücksspiel dar. Der vom Kläger mit der Beklagten geschlossene Vertrag über die Teilnahme an diesem war wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 4. GlüStV 2012 nichtig. Demnach hatte der Kläger seine Einsätze ohne Rechtsgrund an die Beklagte geleistet.

Indem die Beklagte ihr Onlineangebot dem Kläger an dessen Wohnsitz und Arbeitsplatz zugänglich gemacht hatte, sie, die unstreitig nicht über eine entsprechende Erlaubnis nach § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 verfügte, dagegen verstoßen. Der Nichtigkeit gem. § 134 BGB stand auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richtete. Die Vorschrift will nicht nur den Abschluss eines Spielervertrags im Internet unterbinden, sondern die Folgen des dann durchgeführten Glücksspiels.

Die Beklagte konnte sich insofern auch nicht auf eine etwaige faktische Duldung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden berufen. Denn der zivilrechtliche Schutz für private (natürliche oder juristische) Personen einerseits und die verwaltungsbehördliche Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten andererseits stehen grundsätzlich unabhängig nebeneinander. Die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche hängt nicht davon ab, ob Verwaltungsbehörden öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten durchsetzen (vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2021 – I ZR 194/20; OLG Dresden, Urt. v. 27.10.2022 – 10 U 736/22; KG, Urt. v. 6.10.2020 – 5 U 72/19). Darüber hinaus konnte die Beklagte (hinsichtlich der Sportwetten) nicht mit Erfolg geltend machen, ein Verstoß ihrerseits gegen ein gesetzliches Verbot scheide unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung wegen des Verstoßes des Konzessionsverfahrens gegen das unionsrechtlich fundierte Transparenzgebot aus (so aber OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.1.2023 – 8 U 102/22).

Es konnte zwar insofern zugunsten der Beklagten angenommen werden, dass das mit Inkrafttreten des GlüStV 2012 vom zuständigen Ministerium des Landes durchgeführte Konzessionsvergabeverfahren das unionsrechtlich fundierte Transparenzgebot verletzt hat, weil das Verfahren eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit der Antragsteller dargestellt hat. Das Gericht sah sich indes an die gesetzgeberischen Wertungen gebunden. Eine Beurteilung darüber zu treffen, ob einem Sportwetten-Anbieter eine Erlaubnis zu erteilen gewesen wäre, ist nicht Sache eines Zivilgerichts. Eine Auswahl dahingehend, ob ein Anbieter zwar nicht gesetzeskonform, indes gleichwohl „legal“, weil genehmigungsfähig, gehandelt hat, steht einem an die deutschen Gesetze gebundenen Gericht nicht zu (vgl. auch OLG Dresden, Urt. v. 27.10.2022 – 10 U 736/22).

Selbst wenn eine öffentlich-rechtliche Sanktionierung des Angebots von Sportwetten zu unterbleiben hätte, falls – was hier dahinstehen konnte – die materiellen Voraussetzungen einer Erlaubniserteilung vorlägen, blieb es bei dem grundsätzlich bestehenden Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Auch wenn der Beklagten ein Anspruch auf Erteilung einer Konzession zustünde, so führte dies nicht dazu, dass bereits vor tatsächlicher Konzessionserteilung im Verhältnis zum spielenden Verbraucher zu dessen Nachteil aus dem verbotenen Angebot eines Online-Glücksspiels bereits ein erlaubtes Online-Glücksspiel würde.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.05.2023 11:48
Quelle: Justiz NRW

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