BGH v. 11.10.2022 - X ZR 42/20

Widerrufserklärung einer Schenkung wegen groben Undanks bedarf keiner Begründung

Die obergerichtliche Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Literatur hält die Mitteilung des Widerrufsgrundes für erforderlich - insbesondere deshalb, weil der Beschenkte die Möglichkeit haben müsse, das Vorliegen eines Widerrufsgrundes (§ 530 BGB) und die Einhaltung der Widerrufsfrist (§ 532 BGB) zu prüfen. Ein anderer Teil der Literatur lehnt eine Pflicht zur Mitteilung des Widerrufsgrundes ab und beruft sich dafür auf den Wortlaut des Gesetzes. Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend.

Der Sachverhalt:
Die Erblasserin, die im Laufe des Berufungsverfahrens verstorben ist und deren Erbinnen die beiden jetzigen Klägerinnen sind, hatte diesen und deren Bruder - dem Beklagten - Anfang der 90er im Wege der vorweggenommenen Erbfolge das Eigentum an vierzehn Grundstücken in Frankfurt a.M. zu jeweils einem Drittel übertragen. Dabei behielt sie sich den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Mit einem weiteren Vertrag vom 16.11.2000 hatte sie dem Beklagten ein Grundstück in Frankfurt a.M. zu Alleineigentum übertragen.

Nach einem Krankenhausaufenthalt im April 2008 bewilligte die Erblasserin die Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Nießbrauchsrechte. Der die Unterschrift der Erblasserin beglaubigende Notar übersandte die Urkunden wenige Tage später der gemeinsamen Hausverwaltung der Klägerinnen und des Beklagten "zur weiteren Verfügung und Verwahrung bei ihren Unterlagen". Die Urkunden wurden in einem Safe im Geschäftslokal der Hausverwaltung aufbewahrt. Am 8.1.2010 ließ sich der Beklagte von einer Mitarbeiterin der Hausverwaltung die Urkunden aushändigen. Anschließend verhandelten die Parteien über die Verwendung der Löschungsbewilligungen.

Im Februar 2010 stellte eine GmbH des Beklagten die Pachtzahlung  für die Nutzung eines Grundstücks der Erblasserin in Bonn ein. Die Erblasserin erwirkte deswegen einen Zahlungstitel i.H.v. rund 1,3 Mio. €. Am 6.4.2010 widerrief sie eine dem Beklagten schon im Jahr 1999 erteilte Handlungsvollmacht. Am 11.5.2010 verlangte die Klägerin zu 2) vom Beklagten die Herausgabe der Löschungsbewilligungen an die Erblasserin. Der Beklagte kam dem nicht nach. Am 28. und 31.12.2010 reichte ein Notar die Löschungsbewilligungen in seinem Auftrag bei den jeweils zuständigen Grundbuchämtern ein. Ablichtungen übersandte er der Erblasserin. Diese wurde am 7.1.2011 vom Gericht über die Löschung der für sie eingetragenen Rechte informiert. Sie erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, mit der dem Beklagten untersagt wurde, den Antrag auf Eintragung der Löschungsbewilligung des Nießbrauchs im jeweiligen Grundbuch aufrechtzuerhalten.

Das LG hat die einstweilige Verfügung nach Widerspruch des Beklagten aufrechterhalten. Die hiergegen eingelegte Berufung nahm der Beklagte nach einem Hinweis des OLG zurück. In dem genannten Verfahren hat sich der Beklagte insbesondere mit der Behauptung verteidigt, die Erblasserin sei dement und deshalb nicht geschäfts- und prozessfähig.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Erblasserin vom Beklagten zunächst die Zustimmung zur Berichtigung der Grundbücher in Bezug auf die ihrer Ansicht nach zu Unrecht gelöschten Nießbrauchsrechte verlangt. Insoweit ist gegen den Beklagten später ein Teil-Anerkenntnisurteil ergangen. Nach dem Tod der Erblasserin haben die Klägerinnen die Feststellung beantragt, dass sie je zur Hälfte Erbinnen geworden sind und der Beklagte nicht Erbe geworden ist. Das Berufungsgericht hat diese Feststellung antragsgemäß ausgesprochen. Am 16.12.2011 hat die Erblasserin den Widerruf der Schenkungen der eingangs erwähnten Grundstücke erklärt. Das LG hat den Beklagten zur Übertragung des (Mit-)Eigentums an den Grundstücken verurteilt. Das OLG hat die Klage abgewiesen.

Auf die Revision der Klägerinnen hat der BGH die Berufungsentscheidung aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Gründe:
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Widerrufserklärung vom 16.12.2011 wegen Fehlens einer Begründung als unwirksam angesehen. Die Frage, ob der Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks grundsätzlich einer Begründung bedarf, war bislang nicht abschließend geklärt. Der Senat hat bisher nur entschieden, dass § 531 Abs. 1 BGB eine umfassende rechtliche Begründung des Widerrufs nicht verlangt und die Erklärung den zugrundeliegenden Sachverhalt allenfalls soweit darstellen muss, dass der Beschenkte ihn von anderen Geschehnissen unterscheiden, die Einhaltung der in § 532 BGB vorgesehenen Jahresfrist beurteilen und im Umkehrschluss erkennen kann, welche gegebenenfalls anderen Vorfälle der Schenker nicht zum Anlass für die Erklärung des Widerrufs genommen hat (BGH-Urteil v. 22.10.2019 - X ZR 48/17).

Die obergerichtliche Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Literatur hält die Mitteilung des Widerrufsgrundes für erforderlich - insbesondere deshalb, weil der Beschenkte die Möglichkeit haben müsse, das Vorliegen eines Widerrufsgrundes (§ 530 BGB) und die Einhaltung der Widerrufsfrist (§ 532 BGB) zu prüfen. Ein anderer Teil der Literatur lehnt eine Pflicht zur Mitteilung des Widerrufsgrundes ab und beruft sich dafür auf den Wortlaut des Gesetzes. Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend. Der Wortlaut des für die Beurteilung maßgebenden § 531 Abs. 1 BGB sieht eine Mitteilung des Widerrufsgrundes in der Widerrufserklärung nicht vor. Eine Pflicht zur Begründung der Widerrufserklärung kann auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 531 Abs. 1 BGB sowie der §§ 530 und 532 BGB hergeleitet werden.

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Aufsatz
Franz M. Große-Wilde
Die Rechtsprechung zum Erbrecht
MDR 2022, 1446


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.01.2023 12:45
Quelle: BGH online

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