BGH v. 22.2.2024 – V ZB 65/22

Notarielle Kostenberechnung: Anwendung der Privilegierung gem. § 48 Abs. 1 GNotKG

Der Anwendung des Bewertungsprivilegs des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG steht eine Verpachtung des übergebenen land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs durch den Erwerber jedenfalls dann nicht entgegen, wenn das Pachtverhältnis mit einem nahen Familienangehörigen (hier: Ehemann) begründet wird und der Erwerber den Betrieb mit dem Pächter in Arbeitsteilung gemeinschaftlich bewirtschaftet.

Der Sachverhalt:
Der Notar hatte einen Übergabevertrag, mit dem die Mutter der Kostenschuldnerin an diese eine landwirtschaftliche Hofstelle nebst zugehörigem Grund übertragen hat, abgeschlossen. Das Anwesen war an den Ehemann der Kostenschuldnerin verpachtet. Bei der Berechnung der dafür anfallenden Kosten wendete der Notar die landwirtschaftliche Privilegierung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1GNotKG nicht an.

Gegen diese Berechnung wendete sich die Kostenschuldnerin gerichtlich mit der Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG sehr wohl vorgelegen hätten. Das LG hat den Antrag zurückgewiesen. Das OLG hat die von der Kostenschuldnerin dagegen gerichtete Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Voraussetzungen für die Annahme des Bewertungsprivilegs nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG nicht vorgelegen hätten, weil der überlassene Betrieb an den Ehemann der Kostenschuldnerin verpachtet gewesen sei. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Kostenschuldnerin war erfolgreich.

Die Gründe:
Die Frage, ob das Bewertungsprivileg für landwirtschaftliche Betriebe nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1GNotKG zur Anwendung kommt, wenn der überlassene Betrieb an einen Familienangehörigen des Übernehmers verpachtet ist, ist in notariellem Schrifttum und Rechtsprechung umstritten.

Anders als das Beschwerdegericht meinte, war davon auszugehen, dass es sich bei § 48 GNotKG nicht um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt, die nach ihrem Wortlaut und Willen des Gesetzgebers bei einer Verpachtung des übergebenen landwirtschaftlichen Vermögens an einen Dritten nicht zur Anwendung kommt. Trotz der Verpachtung des Betriebs an ihren Ehemann lag die von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG vorausgesetzte Fortführung des Betriebs durch die Erwerberin vor. Nach vorzugswürdiger Ansicht war dies nämlich deshalb anzunehmen, da der Betrieb von der Kostenschuldnerin und ihrem Ehemann arbeitsteilig bewirtschaftet wurde.

Gegen die Annahme, dass § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1GNotKG eine ein auszulegende Ausnahmevorschrift darstellt, sprach die Historie der Norm. Bereits nach der zu § 19 Abs. 4 KostG – als Vorgängernorm des § 48 Abs. 1 GNOtKG – ergangenen Rechtsprechung wurde eine Verpachtung an den Ehegatten als unschädlich angesehen, sofern der Erwerber bei der Bewirtschaftung selbst tätig blieb. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Bewertungsprivilegs § 48 GNotKG gegenüber § 19 KostG einschränken wollte, bestanden nicht. Vielmehr nahm die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf die damalige Rechtsprechung Bezug.

Außerdem wollte der Gesetzgeber die Stärkung landwirtschaftlicher Betriebe erreichen. Insofern sollte auch das Bewertungsprivileg durch die Einführung des § 48 Abs. 1 GNotKG nicht nur erhalten, sondern auch gestärkt werden. Es sollte nur dann nicht eingreifen, wenn die Position des Erwerbers auf die des Verpächters reduziert ist, weil der übernommene Betrieb an einen außerhalb der Familie stehenden Dritten verpachtet wird.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.03.2024 14:37
Quelle: BGH online

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