LG Lübeck v. 15.5.2023 - 10 O 315/21

Übermalte Grundstücksgrenzen im Exposé - Makler haftet

Ein Makler haftet einem Grundstückskäufer auf Schadensersatz, wenn er in einem dem Exposé beigefügten Katasterauszug die Grundstücksgrenzen durch eine rote Umrandung so bearbeitet hat, dass ein ursprünglich deutlich sichtbarer Überbau nicht mehr zu erkennen ist und deswegen unerkannt bleibt.

Der Sachverhalt:
Das ImmobilienCenter der Beklagten hatte 2012 als Makler das mit einer Doppelhaushälfte bebaute Grundstück Rehwiese 28 auf dem Markt angeboten. Ein Mitarbeiter (F.) der Beklagten erstellte ein Exposé u.a. mit dem Hinweis auf die Höhe der Käufercourtage und mit dem Passus:

 „Die Angaben erfolgen nach Auskunft des Verkäufers. Keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Das gilt auch für etwaige Baupläne.“

Das Exposé beinhaltete auch einen Ausschnitt aus der Flurkarte des Katasteramtes als Lageplan. Um das zum Verkauf stehende Grundstück auf diesem Lageplan zu kennzeichnen, hob F. im für das Exposé verwendeten Ausschnitt der Flurkarte die Grenzlinien des Grundstücks Rehwiese 28 digital mit einer breiten roten Linie hervor. Diese überdeckte danach die feinere schwarze Linie, mit der die Grundstücksgrenze zuvor auf der Flurkarte bezeichnet war. Einen Hinweis auf den Überbau enthielt das Exposé in seiner Beschreibung nicht. Auch bei der Besichtigung und im weiteren Verlauf wurden die Kläger nicht über den Überbau aufgeklärt.

Die Kläger erwarben das Grundstück im Juni 2012 in Unkenntnis des Überbaus und des Umstands, dass sich die Einfriedung des Grundstücks nicht auf der Grundstücksgrenze befand. Später behaupteten die Kläger, sie hätten das Grundstück in Kenntnis dieser Besonderheiten entweder gar nicht oder zu einem niedrigeren Kaufpreis gekauft. Ihnen sei ein Schaden von insgesamt rund 13.998 € entstanden.

Das LG gab der Klage teilweise statt.

Die Gründe:
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 11.560,05 € aus §§ 652, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. dem geschlossenen Maklervertrag.

Der F. hatte gegenüber den Klägern zumindest fahrlässig seine den Maklervertrag betreffende Aufklärungspflicht verletzt. Die Beklagte musste sich diese schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Hinsichtlich von Angaben im Exposé gilt, dass der Makler das zu verkaufende Objekt so zu beschreiben hat, wie es dem tatsächlichen Zustand und den ihm vom Verkäufer gemachten Angaben entspricht. Dabei darf er Informationen, die er von dem Veräußerer erhalten hat, grundsätzlich ungeprüft weitergeben, denn er darf im Allgemeinen auf die Richtigkeit der Angaben des Verkäufers vertrauen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Makler die betreffenden Informationen mit der erforderlichen Sorgfalt eingeholt und sondiert hat. Hierzu gehört auch, dass der Makler keine Angaben der Verkäuferseite in sein Exposé aufnimmt, die nach den in seinem Berufsstand vorauszusetzenden Kenntnissen ersichtlich als unrichtig, nicht plausibel oder sonst als bedenklich einzustufen sind.

Infolgedessen hat der F seine Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt. Er hatte im Exposé die Verhältnisse hinsichtlich des vorhandenen Überbaus unrichtig wiedergegeben und damit auch verhindert, dass die Kläger die fehlerhafte Lage der Einfriedung erkennen konnten. Überdies hatte er die Kläger weder bei der Besichtigung des Grundstücks noch im Zusammenhang mit der Auskunft über etwaige Baulasten zutreffend über die Gegebenheiten unterrichtet. Die von F. digital auf dem Ausschnitt der Flurkarte des Katasteramtes, die dem Exposé beigegeben war, hinzugefügte breite rote Linie führte dazu, dass der zuvor auf dieser Karte erkennbare Überbau des zu verkaufenden Grundstücks durch die Doppelhaushälfte des Nachbargrundstücks nicht mehr in gleicher Deutlichkeit zu ersehen war.

Der im Exposé formulierte Haftungsausschluss stand einer Haftung der Beklagten nicht entgegen. Dieser bezog sich auf die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität von Angaben des Maklers gegenüber dem Kaufinteressenten, die nach Auskunft des Verkäufers erfolgt waren. Einbezogen waren etwaige Baupläne. Diesem Haftungsausschluss lag zugrunde, dass der Makler Angaben des Verkäufers grundsätzlich ungeprüft übernehmen darf. Bei der vom Zeugen F. vorgenommenen Markierung im Lageplan handelte es sich indes nicht um eine Angabe, die nach Auskunft des Verkäufers erfolgt war. Es handelte sich vielmehr um ein im Maklerwesen typisches Vorgehen bei Erstellung des Exposés, bei dem der Makler die Grenzlinien eigeninitiativ, ohne Einfluss des Verkäufers kennzeichnet und die Art und den Umfang der Markierung selbst festlegt.

Die zugesprochene Zahlung addierte sich aus folgenden Positionen:

Kosten der Abmarkung: 1.375,28 €
Wertminderung: 710 €
Versetzung der Einfriedung: 9.474,77 €
gesamt: 11.560,05 €


Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Unwirksamkeit einer erfolgsunabhängigen Reservierungsabrede als Nebenvereinbarung zum Maklervertrag
BGH vom 20.04.2023 - I ZR 113/22
ZIP 2023, 1088
 

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.05.2023 13:43
Quelle: Landesregierung Schleswig-Holstein

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