KG Berlin v. 5.5.2023 - 7 U 74/21

Zankapfel sog „große Kündigungsvergütung“ - Revision zugelassen

Solange sich keine Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung ergeben, reicht es bei der Geltendmachung der großen Kündigungsvergütung aus, wenn der Werkunternehmer die Ersparnis auf der Grundlage seiner ursprünglichen Kalkulation berechnet. Er kann auch auf Basis eines geplanten, aber bislang nicht genehmigten Subunternehmereinsatzes jedenfalls dann abrechnen, wenn keine Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung gegeben sind.

Der Sachverhalt:
Die Parteien stritten in der Berufungsinstanz allein noch über Werklohnansprüche der Klägerin aus ihrer Schlussrechnung vom 10.1.2019, mit der sie nach Kündigung des Bauvertrages Vergütung von nicht erbrachten Leistungen begehrt hatte. Die Klägerin war der Ansicht, dass die große Kündigungsvergütung auch dann nach § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB a.F. auf Grundlage eines Nachunternehmereinsatzes kalkuliert werden könne, wenn diesem seitens des Bestellers - hier der Beklagten - nicht gem. § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B zugestimmt worden war. Die Beklagte verwies darauf, dass die Klägerin bei der Berechnung der ersparten Aufwendungen nicht auf die vertragswidrige Weitergabe des Auftrags an die Subunternehmerin hätte abstellen dürfen.

Das LG hatte der Klage auf Zahlung der großen Kündigungsvergütung nur i.H.v. 14.741 € stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das KG die Entscheidung abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 28.050 € zu zahlen. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen weiteren Zahlungsanspruch aus § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB a.F. (sog. „große Kündigungsvergütung“); auf das Schuldverhältnis ist das BGB in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1.1.2002 und bis zum 31.12.2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB. Gem. § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB a.F. ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen, wenn er den Bauvertrag gem. § 648a Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BGB a.F. kündigt; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt.

Solange sich keine Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung ergeben, reicht es bei der Geltendmachung der großen Kündigungsvergütung aus, wenn der Werkunternehmer die Ersparnis auf der Grundlage seiner ursprünglichen Kalkulation berechnet. Der Werkunternehmer kann auch auf Basis eines geplanten, aber bislang nicht genehmigten Subunternehmereinsatzes jedenfalls dann abrechnen, wenn keine Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung gegeben sind. Dabei müssen derartige Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung sich bereits in einem Verhalten der Vertragsparteien vor Vertragsbeendigung manifestiert haben.

Hier fehlte es an derartigen Anhaltspunkten dafür, dass der Besteller bei Fortführung des Werkvertrages von der ihm theoretisch zustehenden Möglichkeit, den Subunternehmereinsatz nicht zu genehmigen und der Klägerin wegen eines gleichwohl durchgeführten Subunternehmereinsatzes gem. § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B zu kündigen, Gebrauch gemacht hätte. Denn der Beklagten war der Einsatz der Subunternehmerin bei den später von der Kündigung durch die Klägerin betroffenen Betonierungsarbeiten bereits seit Anfang an bekannt, ohne dass sie Schritte nach § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B unternommen hätte. Die Beklagte hat noch nicht einmal die Kündigungsandrohung der Klägerin auf der Grundlage von § 648a BGB a.F. zum Anlass genommen, ihrerseits die Klägerin aufzufordern, die Leistungen im eigenen Betrieb aufzunehmen, und anderenfalls die Kündigung anzudrohen.

Allerdings hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Denn die hier entscheidungserhebliche Frage, ob die große Kündigungsvergütung auch dann nach § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB a.F. (bzw. jetzt § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB) auf Grundlage eines Nachunternehmereinsatzes kalkuliert werden kann, wenn diesem seitens des Bestellers nicht gem. § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B zugestimmt worden war, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und wird in der OLG-Rechtsprechung konträr beantwortet (OLG Celle, Urt. v. 14.2.2007 - 7 U 1656/06 einerseits und OLG Brandenburg, Urt. v. 10.11.2022 - 12 U 69/22 andererseits).

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.05.2023 12:08
Quelle: Berliner Vorschriften- und Rechtsprechungsdatenbank

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