OLG Karlsruhe v. 11.1.2023 - 5 WF 138/22

Verfahrensrechtliche Durchsetzung der Kindesanhörung

Zur Erzwingung der Anhörung des Kindes durch das Gericht kommt weder die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 33 Abs. 3 FamFG noch die Festsetzung von Zwangsmitteln nach § 35 Abs. 1 FamFG in Betracht. Hinsichtlich gerichtlicher Anordnungen zu terminsbezogenen Verpflichtungen von Beteiligten sieht das Gesetz in § 33 Abs. 3 FamFG eine Sanktion in Form von Ordnungsmitteln nur für das persönliche Erscheinen des Beteiligten selbst vor, eine Festsetzung gegen den Inhaber der tatsächlichen Obhut des Kindes ist nicht vorgesehen.

Der Sachverhalt:
Antragsteller und Antragsgegnerin sind Eltern eines 2018 geborenen Kindes, das bei der Mutter lebt. Am 21.3.2022 hatte der Antragsteller die Regelung des Umgangs und der Informationspflicht beantragt. Die Antragsgegnerin begehrte die Abweisung der Anträge. Für den eigenen Anhörungstermin legte sie ein Attest ihres Hausarztes vor, nach dem für sie bei einem Zusammentreffen mit dem Antragsteller „das erhebliche Risiko einer psychischen Verschlechterung“ bestehe. Ein Termin zur Kindesanhörung musste - u.a. wegen Erkrankungen des Kindes - mehrfach verschoben werden. Zum Termin vom 23.9.2022 erschien die Antragstellerin mit dem Kind ohne Angabe von Gründen nicht. Mit Verfügung vom gleichen Tag bestimmte das Familiengericht den Termin zur Kindesanhörung auf den 4.10.2022.

In der Verfügung wurde die Antragsgegnerin u.a. aufgefordert, für das Erscheinen des Kindes Sorge zu tragen. Außerdem wurde ein Hinweis auf Zwangsmittel nach § 35 Abs. 3 FamFG erteilt. Zum Termin erschien die Antragsgegnerin jedoch nicht mit dem Kind. Mit Anwaltsschriftsatz vom 18.10.2022 teilte sie mit, dass sie pünktlich vor dem AG gestanden habe, das (damals 3-jährige) Kind sich aber geweigert habe, das Gebäude zu betreten und mit dem Richter allein zu reden.

Das Familiengericht setzte daraufhin gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld i.H.v. 500 € fest und verwies diesbezüglich auf § 89 FamFG. Es hat auch der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, dass Rechtsgrundlage der Festsetzung § 35 FamFG sei. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde war vor dem OLG erfolgreich.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen eines Ordnungsgeldes nach § 33 FamFG gegen die Antragsgegnerin lagen nicht vor.

Hinsichtlich des persönlichen Erscheinens der Antragsgegnerin war bereits keine eindeutige Anordnung ergangen. Ihr persönliches Erscheinen war zwar in der Terminsladung zunächst angeordnet worden, durch den Zusatz wurde aber deutlich, dass dies lediglich das Erscheinen des Kindes sichern sollte, für das das Erscheinen der Antragsgegnerin nicht erforderlich war. Insofern kam es nicht darauf an, ob das persönliche Erscheinen des betreuenden Elternteils im Rahmen einer Kindesanhörung überhaupt angeordnet werden darf und ob die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung im Vollstreckungsverfahren nach § 33 FamFG zu prüfen wäre. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 33 Abs. 3 S. 1 FamFG gegen die Mutter wegen des Nichterscheinens des Kindes kam nicht in Betracht, da dies nur für den Beteiligten selbst vorgesehen ist.

Auch die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Mutter nach § 35 FamFG lagen hier nicht vor. Denn die Zwangsmittel des § 35 FamFG sind (anders als die Ordnungsmittel nach § 33 FamFG) in die Zukunft gerichtete Beugemittel, durch die eine Handlung oder Unterlassung erzwungen werden soll. Sie sollen nicht den in der Vergangenheit liegenden Verstoß gegen eine gerichtliche Anordnung bestrafen, sie haben keinen Sanktionscharakter Damit setzen sie eine gerichtliche Anordnung voraus, die in der Zukunft noch durchgesetzt werden soll. Daran fehlt es aber, wenn der in der gerichtlichen Anordnung genannte (einzige) Termin zur Vornahme der Handlung vorüber ist.

Im vorliegenden Fall hatte sich die gerichtliche Anordnung gegen die Antragsgegnerin vom 23.9.2022, das Kind zum Termin vom 4.10.2022 zu bringen, erledigt. Eine in die Zukunft gerichtete weitere gerichtliche Anordnung - wie von § 35 FamFG verlangt - bestand hier nicht. Damit dürfte eine verfahrensrechtliche Durchsetzung der Verpflichtung des betreuenden Elternteils, das Kind zur gerichtlichen Anhörung zu bringen, nicht möglich sein. § 35 FamFG dürfte dafür ungeeignet sein. Eine gerichtliche Anordnung, das Kind zur Anhörung zu bringen, kann sich immer nur auf einen konkreten Termin beziehen. Die Festsetzung und Vollstreckung von Zwangsmitteln nach § 35 FamFG setzt aber wiederum voraus, dass eine Zuwiderhandlung bereits erfolgt ist. Insoweit besteht wohl eine Gesetzeslücke.

Hinsichtlich gerichtlicher Anordnungen zu terminsbezogenen Verpflichtungen von Beteiligten sieht das Gesetz in § 33 Abs. 3 FamFG eine Sanktion in Form von Ordnungsmitteln nur für das persönliche Erscheinen des Beteiligten selbst vor, eine Festsetzung gegen den Inhaber der tatsächlichen Obhut des Kindes ist nicht vorgesehen. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen das Kind nach § 33 Abs. 3 S. 1 FamFG dürfte jedenfalls bei einem 4-jährigen Kind daran scheitern, dass dieses nicht unentschuldigt fehlt. Damit kommt auch eine zwangsweise Vorführung des Kindes nach § 33 Abs. 3 S. 3 FamFG nicht in Betracht.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.01.2023 13:28
Quelle: Landesrechtsprechung Baden-Württemberg

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