Aktuell in der MDR

Die Entwicklung des Vereinsrechts (Röcken, MDR 2022, 1195)

Das steigende Interesse am Vereinsrecht in der Praxis hängt u.a. damit zusammen, dass Mitgliederversammlungen es „in sich“ haben können. Dies konnte man nun auch bei prominenten Vereinen beobachten. Da möchte ein Präsident nicht mehr eine „Bratwurstbude“ führen (PEN Deutschland e.V.) oder Gerichte werden im Vorfeld der Mitgliederversammlung bemüht, um Zuständigkeiten zu klären (FC Bayern e. V). Dementsprechend steigt auch der Beratungsbedarf zu vereinsrechtlichen Fragestellungen. Der nachfolgende Beitrag knüpft an den Rechtsprechungsüberblick aus dem letzten Jahr an (Röcken, MDR 2021, 1043) und zeigt die vereinsrechtliche Rechtsprechung des Jahres 2021 bis Mitte 2022 auf.


I. Allgemeine gesellschaftliche Entwicklung

1. Satzung

2. Zweck des Vereins

a) Wirtschaftlicher Verein

b) Weitere erforderliche Inhalte der Satzung

3. Satzungsänderung

4. Prüfungsrechte der Registergerichte

II. Mitglieder

1. Sonderrechte (§ 35 BGB)

2. Beendigung der Mitgliedschaft

a) Streichung von der Mitgliederliste

b) Ausschlussverfahren

c) Rechtsschutz

III. Mitgliederversammlung

1. Temporäre „Corona-Sonderregelungen“

2. Einberufungsorgan

3. Versammlungsort

4. Teilnahmeberechtigung

5. „Außerordentliche“ Mitgliederversammlung

6. Kompetenzen der Mitgliederversammlung

7. Geheime Abstimmung

8. Anfechtung von Beschlüssen

a) Feststellungsklage

b) Beweislast

c) Relevanztheorie

IV. Vorstand

1. Bestellungsorgan

2. Übertragung der Vorstandsbefugnisse

3. Amtszeit

4. Register

5. Vertretungsbefugnis

6. Zurechenbare Kenntnis

V. Besonderer Vertreter (§ 30 BGB)

VI. Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit

VII. Haftungsverhältnisse

1. Inanspruchnahme des Vorstandes

2. Haftungsausschluss in der Satzung

VIII. Gesetzesänderungen


I. Allgemeine gesellschaftliche Entwicklung

Der Vereinsbestand nimmt weiter zu. Im April 2022 waren 615.759 Vereine im Vereinsregister eingetragen, das sind 2.165 mehr als im Vorjahr. Das Wachstum des Vereinsbestands verlangsamt sich jedoch, was auch an den Auswirkungen der Corona-Pandemie liegt.

1. Satzung

Mit seiner Satzung regelt der Verein seine rechtlichen Verhältnisse. Hier steht ihm ein großer Gestaltungsspielraum zu (§ 40 BGB). Grenzen bestehen jedoch dort, wenn eine Satzungsregelung dem Wesen eines Vereins widerspricht als einem auf gemeinsame Zweckerreichung aller Mitglieder ausgerichteten Zusammenschlusses. Eine alleinige Verschiebung von Kompetenzen außerhalb der Mitgliederversammlung verbietet sich daher.

2. Zweck des Vereins

Der Zweck des Vereins hat maßgebliche Auswirkungen auf seine rechtlichen und steuerlichen Verhältnisse. Ist der Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet, bleibt ihm die Eintragung in das Vereinsregister verwehrt (§ 22 BGB); weiter entscheidet der verfolgte Zweck darüber, ob eine Steuerbegünstigung anerkannt werden kann (§ 59 AO).

a) Wirtschaftlicher Verein

Nach den „KiTa-Entscheidungen“ des BGH schien „Ruhe“ eingekehrt zu sein, bis das OLG Celle entschied, dass ein „Dorfkneipen-Verein“ als wirtschaftlicher Verein i.S.d. § 22 BGB anzusehen sei. Zur Begründung verweist es darauf, dass keine Steuerbegünstigung vorläge, was nach der BGH-Rechtsprechung „von entscheidender Bedeutung sei“. Auch dass die seinerzeit angestrebte Reform des § 22 BGB „in letzter Sekunde“ gestoppt wurde, könne dem Verein nicht zum Erfolg verhelfen. Die Entscheidung ist überwiegend ablehnend – teilweise mit sehr deutlichen Worten („Ausrutscher“, oberflächliche Argumentation“) – ablehnend kommentiert worden. Da die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wurde, legte der Verein Verfassungsbeschwerde ein.

Zwei andere Obergerichte (Brandenburgische OLG und das OLG Stuttgart) kamen bei der Beurteilung von „wirtschaftlich tätigen Vereinen“ zu einem anderen Ergebnis.

Kennzeichnend für einen ideellen Vereinszweck ist das Ziel, die Nutzung und Verwendung der vom Verein gebotenen Ressourcen als eine gemeinschaftliche, aufeinander bezogene Tätigkeit zu verstehen, um in dieser Gemeinschaft einen weiteren, über den bloßen Leistungsbezug hinausreichenden Zweck zu finden. Maßgebend war bei diesem „Wirtschaftsförderungsverein“ auch das in der Satzung festgehaltene Ausschüttungsverbot.

Auch ist eine wirtschaftliche Betätigung eintragungsunschädlich, sofern und solange sie zur Verfolgung des ideellen Vereinszwecks eingesetzt wird, wobei der Umfang einer wirtschaftlichen Tätigkeit für die Eintragungsfähigkeit eines Vereins unerheblich ist. Hierbei ist auch unschädlich, wenn der ideelle Zweck des Vereins unmittelbar durch seine wirtschaftlichen Aktivitäten erfüllt wird.

b) Weitere erforderliche Inhalte der Satzung

Da der überwiegende Teil der Vereine steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, sind hier aus Beratersicht auch die steuerlichen Vorgaben zwingend zu beachten (§§ 59, 60 AO; Anlage 1 zu § 60 AO). Nach der Rechtsprechung des BFH muss eine Satzung eine ausdrückliche Regelung für den Wegfall des bisherigen steuerbegünstigten Zwecks (§§ 61 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) enthalten.

3. Satzungsänderung

Der Unterschied von einem Antrag auf Satzungsänderung, welcher ggf. satzungsgemäße Voraussetzungen, wie Form und Frist zu beachten hat, zu einem Änderungs- oder Ergänzungsantrag zu einem bereits gestellten Antrag, welcher nach herrschender Auffassung auch noch während der Mitgliederversammlung gestellt werden kann, 16 besteht darin, dass (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.09.2022 13:58
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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