BGH v. 30.3.2022 - XII ZB 311/21

Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Gericht unter Verwendung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur

Die Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Gericht ist nur dann formgerecht, wenn es entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder von der verantwortenden Person selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird. Nicht ausreichend ist die Verwendung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur im Zusammenhang mit einer nicht persönlich vorgenommenen Übermittlung.

Der Sachverhalt:
Das AG - Familiengericht - verpflichtete den Antragsgegner mit einem ihm am 1.4.2021 zugestellten Beschluss, an die Antragstellerin rückständigen und laufenden Trennungsunterhalt zu zahlen.

Gegen diese Entscheidung legte der Antragsgegner durch einen mit fortgeschrittener elektronischer Signatur versehenen, per besonderem elektronischem Anwaltspostfach (beA) übermittelten und bei Gericht über das Elektronische Gerichtspostfach (EGVP) empfangenen Schriftsatz seines Rechtsanwalts am 28.4.2021 Beschwerde ein. Auf gerichtlichen Hinweis, dass die weder mit qualifizierter elektronischer Signatur versehene noch durch den Rechtsanwalt persönlich und damit auf sicherem Übermittlungsweg eingereichte Beschwerde unzulässig sei, beantragte der Antragsgegner vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und holte die Beschwerdeeinlegung am 28.5.2021 unter Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nach.

Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Beschwerde. Die Beschwerdeeinlegung sei innerhalb der Beschwerdefrist nicht formgerecht erfolgt, da das elektronische Dokument entgegen § 130 a Abs. 3 ZPO nicht entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden sei. Ein Wiedereinsetzungsgrund sei nicht gegeben, da die Frist nicht ohne Verschulden versäumt worden sei. Bei sorgfältiger Überprüfung des Prüfprotokolls, nach dessen Gesamtergebnis der Status der Signatur als "unbestimmt" gekennzeichnet gewesen sei und einige Prüfungen nicht hätten durchgeführt werden können, wäre dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners aufgefallen, dass die Beschwerdeschrift nicht mit der erforderlichen qualifizierten elektronischen Signatur versehen war.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG ist zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass der Antragsgegner nicht innerhalb der am 2.5.2021 abgelaufenen einmonatigen Beschwerdefrist formgerecht Beschwerde eingelegt hat.

Nach § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. Auch schon vor der Gesetzesänderung zum 1.1.2022 konnte die Beschwerdeschrift nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 130 a ZPO als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Dieses muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen (§ 130 a Abs. 2 ZPO). Diese sind geregelt in der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24.11.2017 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung ERVV, geändert durch Verordnung vom 9.2.2018), die nach § 10 Abs. 1 ERVV zum 1.1.2018 in Kraft getreten ist. Das elektronische Dokument muss zudem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130 a Abs. 3 und 4 ZPO). Ein mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenes Dokument darf außer auf einem sicheren Übermittlungsweg auch an das EGVP übermittelt werden (§ 4 Abs. 1 ERVV).

Durch die vorstehenden Regelungen soll gewährleistet werden, dass Dokumente in einer Weise an das Gericht gesandt werden, die sicherstellt, dass die Identität des Signierenden von einem Dritten geprüft und bestätigt wurde. Bei der qualifizierten elektronischen Signatur (Art. 3 Nr. 12 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt - eIDASVO) geschieht dies im Vorfeld durch die sichere Identifizierung der Person bei einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter. Die qualifizierte elektronische Signatur hat die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift (Art. 25 Abs. 2 eIDAS-VO). Sie muss jedoch, um diese Gleichwertigkeit zu erreichen, von demjenigen vorgenommen werden, dessen Unterschrift dem Formerfordernis genügen würde, mithin von dem Rechtsanwalt persönlich.

Bei den sicheren Übermittlungswegen, etwa über das beA, geschieht die Überprüfung der Identität des Absenders bei der Prüfung des Zulassungsantrags durch die Rechtsanwaltskammer. Nach § 31 a Abs. 1 BRAO erhalten nur Mitglieder von Rechtsanwaltskammern also Personen, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind ein beA. Der sichere Übermittlungsweg gewährleistet die Identität des Absenders aber nur dann, wenn die verantwortende Person, also der Rechtsanwalt als Inhaber des beA, den Versand selbst vornimmt. Hiermit korrespondiert, dass der Inhaber des beA das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, gem. § 23 Abs. 3 Satz 5 der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung - RAVPV) nicht auf andere Personen übertragen kann. Echtheit und Integrität des Dokuments sind deshalb nur gewährleistet, wenn es entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder von der verantwortenden Person selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg bei der Justiz eingereicht worden ist.

Diesen rechtlichen Vorgaben wird die am 28.4.2021 beim OLG eingegangene Beschwerdeschrift des Antragsgegners nicht gerecht, weil das Dokument nicht entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder auf einem sicheren Übermittlungsweg durch die verantwortende Person eingereicht worden ist. Die vom Bevollmächtigten des Antragsgegners stattdessen verwendete fortgeschrittene elektronische Signatur (Art. 3 Nr. 11 und Art. 26 eIDAS-VO) ist im Zusammenhang mit einer nicht persönlich vorgenommenen Übermittlung nicht ausreichend. Zwar bewirkt auch die fortgeschrittene elektronische Signatur ein gewisses Maß an Identitätsnachweis, indem diese unter Verwendung elektronischer Signaturerstellungsdaten erzeugt wird, die der Unterzeichner mit einem hohen Maß an Vertrauen unter seiner alleinigen Kontrolle verwenden kann (Art. 26 lit. c eIDAS-VO). Soll jedoch eine gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller das elektronische Dokument mit dem noch höheren Authentisierungsstandard einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen (vgl. § 126 a Abs. 1 BGB). Nur diese gewährleistet nach der gesetzgeberischen Wertung ein der Unterschrift vergleichbares und damit ausreichendes Maß an Authentisierung.

Mehr zum Thema:

  • Rechtsprechung: OLG Frankfurt/M. vom 11.03.2022, 5 WF 11/22 – § 14b I FamFG: Beschwerdeeinlegung als elektronisches Dokument (FamRZ 2022, 804)
  • Rechtsprechung: OLG Bamberg vom 17.02.2022, 2 UF 8/22 – Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs und Unterschriftserfordernis bei Beschwerdeeinlegung mit Anmerkung Schwamb (FamRB 2022, 194)
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.05.2022 12:06
Quelle: BGH online

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