KG Berlin v. 12.8.2021 - 1 W 305/21

Fehlende Anerkennung einer als Erbin eingesetzten Stiftung durch die Stiftungsaufsicht im Zeitpunkt eines Erbfalls

Hat der Erblasser in einem öffentlichen Testament für den Fall, dass eine von ihm als Erbin bestimmte Stiftung im Erbfall noch nicht anerkannt sein sollte, einen Dritten (hier: den Stifter) zum Ersatzerben bestimmt, ist eine Auslegung dahin, die Stiftung solle tatsächlich Nacherbin sein und der Nacherbfall im Zeitpunkt der Anerkennung der Stiftung eintreten, zwar nicht ausgeschlossen. Müssen hierzu aber weitere Ermittlungen erfolgen, kann zum Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins erforderlich sein.

Der Sachverhalt:
Der am 7.2.2020 verstorbene eingetragene Eigentümer (Erblasser) war als solcher seit 2002 mit seiner Ehefrau je zur Hälfte im Grundbuch eingetragen. Seit 2017 ist er als Alleineigentümer eingetragenen, nachdem seine Ehefrau gestorben war. 2019 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament. Darin setzte er die von der Beteiligten zu 3) "noch zu errichtende" Beteiligte zu 2) als Erben ein. Weiter heißt es in der Urkunde: "Sollte die vorgenannte Stiftung noch nicht gegründet sein, setze ich zu meinem Ersatzerben den Beteiligten zu 2) ein." Er machte "Dem Erben" zur Auflage, "eine nicht rechtsfähige gemeinnützige Stiftung zu gründen". Den Beteiligten zu 1) bestimmte er zum Testamentsvollstrecker.

Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung erkannte den Beteiligten zu 2) am 7.7.2020 an. Unter dem 16.4.2021 beantragte der Beteiligte zu 1) die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung des Beteiligten zu 2) als Eigentümer anstelle des Erblassers. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 29.6.2021 den Nachweis erfordert, "dass zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers diese Stiftung bereits als rechtsfähige Stiftung von der zuständigen Senatsverwaltung anerkannt war." Darauf wies der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 14.7.2021 auf die Anerkennung vom 7.7.2020 hin. Er vertritt die Auffassung, die Beteiligte zu 2) sei Nacherbin geworden und der Nacherbfall mit ihrer Anerkennung eingetreten. Für den Fall, dass das Grundbuchamt trotzdem eine Grundbuchberichtigung zugunsten der Beteiligten zu 2) nicht veranlassen wolle, lege er Beschwerde ein. Das Grundbuchamt half dieser Beschwerde nicht ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligte zu 1) führte in der Sache zu einem vorläufigen Erfolg.

Die Gründe:
Stellt sich nach Erlass einer Zwischenverfügung heraus, dass mit den darin aufgezeigten Abhilfemitteln der Nachweis der Beseitigung eines der Eintragung entgegenstehenden Hindernisses nicht beseitigt werden kann (hier: Anerkennung einer als Erbin eingesetzten Stiftung durch die Stiftungsaufsicht im Zeitpunkt des Erbfalls), ist die Zwischenverfügung aufzuheben. Erscheinen nun andere Mittel zur Beseitigung des Eintragungshindernisses geeignet, ist dem Antragsteller mit einer weiteren Zwischenverfügung Gelegenheit zu geben, die Beseitigung nachzuweisen.

Der Erblasser hat ausweislich seiner letztwilligen Verfügung vom 25.10.2019 die Möglichkeit gesehen, dass die Beteiligte zu 2) im Zeitpunkt seines Todes noch nicht entstanden sein könnte ("sollte die vorgenannte Stiftung noch nicht gegründet sein"). In einem solchen Fall ist im Zweifel anzunehmen, dass die juristische Person als Nacherbe eingesetzt ist, § 2101 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 BGB. Der Nacherbfall tritt dann mit der Entstehung der juristischen Person ein, § 2106 Abs. 2 S. 2 BGB. Allerdings gilt die Auslegungsregel des § 2101 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 BGB lediglich "im Zweifel". Sie gilt also dann nicht, wenn der Erblasser etwas Anderes bestimmen wollte und bestimmt hat. Gegen die Anwendung der genannten Zweifelsregel spricht hier der von dem Erblasser gewählte Wortlaut. Er hat die Beteiligte zu 2) für den Fall ihrer erst nach dem Erbfall erfolgenden Anerkennung nicht als Nacherbin bestimmt, sondern den Beteiligten zu 3) für diesen Fall ausdrücklich als Ersatzerben bezeichnet. Ersatzerbe ist derjenige, der von dem Erblasser für den Fall als Erbe bestimmt worden ist, dass der eigentlich vorgesehene Erbe vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls wegfällt, § 2096 BGB. Die Regelung findet auch dann Anwendung, wenn die Einsetzung des zunächst berufenen Erben nichtig oder unwirksam ist.

Im Hinblick auf die ausdrückliche Verwendung des Begriffs "Ersatzerbe" bei notarieller Beratung, § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG, liegt zunächst die Annahme nahe, dass der Erblasser genau das wollte, was er ausdrücklich erklärt hat. Dann wäre für die Annahme der genannten Zweifelsregel kein Raum. Hinzu kommt, dass, wenn der Erblasser die Beteiligte zu 2) tatsächlich wenigstens als Nacherbin hätte einsetzen wollen, die ausdrückliche Bestimmung eines Vorerben nicht fernliegend gewesen wäre. Gerade das ist aber unterblieben. Im Falle des § 2101 BGB werden in der Regel die gesetzlichen Erben des Erblassers als Vorerben in Betracht kommen. Ob dies aber - "im Zweifel" - gewollt war, erscheint fraglich. Ausweislich der letztwilligen Verfügung waren Abkömmlinge erster und zweiter Ordnung nicht - mehr - vorhanden. Der Erblasser war zudem verwitwet. Ob gesetzliche Erben dritter oder weiterer Ordnung vorhanden waren, ist nicht ersichtlich. Wiederum wäre im Hinblick auf § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG zu erwarten gewesen, dass der Erblasser hier eindeutige Regelungen getroffen hätte, wären sie gewollt gewesen. Deshalb kann auch nicht ohne weiteres angenommen werden, der als Ersatzerbe bezeichnete Beteiligte zu 3) habe Vorerbe werden sollen.

Danach ist zur Ermittlung des Willens des Erblassers eine Auslegung des Testaments erforderlich, die sich aber nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränken kann. Vielmehr müssen bei einer solchen Auslegung alle zugänglichen Umstände außerhalb des Testaments ausgewertet werden, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens beitragen können. Eine somit gebotene Berücksichtigung der Gesamtumstände ist im Verfahren auf Berichtigung des Grundbuchs regelmäßig aber nicht möglich. Das Grundbuchamt darf im Hinblick auf § 29 Abs. 1 GBO nur das - öffentliche - Testament, in der Form des § 29 Abs. 1 GBO abgegebene Erklärungen der Beteiligten und offenkundige Umstände berücksichtigen, nicht jedoch andere Umstände, die nach dem materiellen Erbrecht bei der Ermittlung des Erblasserwillens aber zu berücksichtigen sind. Solche Ermittlungen sind hingegen dem Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren möglich.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.10.2021 17:20
Quelle: Rechtsprechungsdatenbank Berlin

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