OLG Karlsruhe v. 7.3.2023 - 12 U 269/22

Nachbarrechtlicher Anspruch auf Kürzung von Gehölzen

Die Höhenbeschränkung in § 16 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes (NRG) bezieht sich nur auf die in der jeweiligen Ziffer bezeichneten Gehölzarten. Andere, artgemäß größere Gehölze unterliegen, sofern sie im zu geringen Grenzabstand stehen, zwar einem verjährbaren Beseitigungsanspruch, nicht aber dem unverjährbaren Kürzungsanspruch.

Der Sachverhalt:
Die Beklagten sind Eigentümer eines Hausgrundstücks, der Kläger ist Eigentümer des Nachbargrundstücks. Die Gärten der streitgegenständlichen Grundstücke grenzen in Hanglage unmittelbar aneinander und werden durch einen Maschendrahtzaun abgegrenzt. Das Grundstück der Beklagten liegt tiefer. lm Grenzbereich besteht eine Bepflanzung mit verschiedensten Gewächsen.

Der Kläger hat erstinstanzlich u.a. beantragt, die Beklagten dazu zu verpflichten, den auf dem Grundstück des Klägers befindlichen ober- und unterirdischen Bambus entlang der Grundstücksgrenze zum Anwesen der Beklagten auf einer Fläche von ca. 40 qm fachmännisch zu entfernen. Widerklagend haben die Beklagten beantragt, den Kläger dazu zu verpflichten, den auf dem Grundstück der Beklagten befindlichen ober- und unterirdischen Efeu-Bewuchs und sonstigen Bewuchs mit Rankpflanzen entlang der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Klägers fachmännisch zu entfernen. Außerdem verlangten die Beklagten vom Kläger, Eibengehölze und Obstbäume an der Grundstücksgrenze auf eine Höhe von max. 4 m, gemessen am Grundstücksniveau des nächstangrenzenden Bereichs des Grundstücks der Beklagten, zurückzuschneiden.

Das LG hat der Klage und der Widerklage jeweils teilweise stattgegeben. Soweit den Anträgen (teilweise) stattgegeben wurde, hat es bestimmt, dass die Pflanzenhöhe am Austrittspunkt der Pflanze zu messen sei. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Ein Anspruch auf Rückschnitt der Eibengehölze besteht nicht. § 16 Abs. 1 NRG steht den Beklagten als Anspruchsgrundlage nicht zur Seite. Diese Norm gewährt zwar ein Beseitigungsrecht für Gehölze, die die dort vorgesehenen Grenzabstände nicht einhalten. Zwar sind Eiben entweder zu den mittelgroßen Bäumen gem. § 16 Abs. 1 Nr. 4a) NRG oder zu den großwüchsigen Arten gem. § 16 Abs. 1 Nr. 5 NRG zu zählen. Der vorgesehene Grenzabstand von jedenfalls 4 m ist auch nicht eingehalten worden, so dass den Beklagten eigentlich ein Anspruch auf Beseitigung entstanden wäre. Dem stand auch nicht entgegen, dass sie in diesem Verfahren nur eine Verkürzung geltend gemacht hatten. Allerdings ist der Beseitigungsanspruch verjährt. Denn die Eiben waren zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage länger als zehn Jahre angepflanzt..

Der Umstand, dass sich die Beklagten auf einen „Rückschnitt“ beschränkt hatten, änderte nichts daran, dass der materielle Beseitigungsanspruch verjährt ist. Einen – unverjährbaren (§ 26 Abs. 3 NRG) – Anspruch auf Verkürzung konnten die Beklagten auch nicht aus § 16 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 NRG herleiten. Denn der Senat hat bereits entschieden, dass dahinstehen kann, ob es sich bei Eiben um artgemäß mittelgroße oder schmale Bäume i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 4a) NRG handelt, oder um eine großwüchsige Art von Bäumen i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 5 NRG, weil hinsichtlich dieser nur stammabstandbeschränkten Pflanzungen ein Anspruch auf Verkürzung jedenfalls nicht besteht. Der Senat sieht auch in der Berufung der Beklagten keinen Anlass dafür, diesbezüglich seine Rechtsprechung zu ändern. Auch aus der Systematik des NRG ergibt sich, dass Höhenbeschränkungen nur für die im Gesetz unter § 16 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4c) NRG genannten Gehölzgruppen gelten soll. Dass in § 12 NRG nicht nach Gehölzarten differenziert wird, belegt nichts anderes.

Das erstinstanzliche Urteil war auch nicht bezüglich der Messmethode für die Verkürzung der beiden Obstbäume sowie des Holunders abzuändern. Maßgeblich für die Höhenbeschränkung gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4c NRG ist die Höhe der Pflanze, gemessen ab deren Austritt aus dem Boden, und nicht das Niveau des Nachbargrundstücks, wie die Berufung meinte. Anknüpfungspunkt für die Messung des Grenzabstandes ist gem. § 22 Abs. 1 NRG der Stamm bei dessen Austritt aus dem Boden. Grundsätzlich gilt dies auch für die Höhenbestimmung, jedenfalls dann wenn diese mit den jeweiligen Mindestabständen kombiniert, d.h. gemeinsam geregelt sind.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Anspruch auf Entfernung von auf dem Nachbargrundstück stehenden Bäumen
OLG Karlsruhe vom 02.03.2023 - 12 U 165/22

Aufsatz:
Abwehr- und Selbsthilferechte bei Beeinträchtigungen von Bäumen, Sträuchern und Hecken auf dem Nachbargrundstück
Christoph Fellner, MDR 2021, 905

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.03.2023 11:29
Quelle: Landesrechtsprechung Baden-Württemberg

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