OLG Brandenburg v. 8.12.2022 - 12 U 21/21

Kein Schmerzensgeld nach komplizierter LASIK-Laserbehandlung

Das Gericht kann seine Überzeugungsbildung gem. § 286 ZPO auch auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Aufklärung stützen, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben, wobei das von dem Arzt und dem Patienten unterzeichnete Formular, mit dem der Patient sein Einverständnis zu dem ärztlichen Eingriff gegeben hat, ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs darstellt.

Der Sachverhalt:
Der Beklagte hatte 2017 beim Kläger unter Vollnarkose eine LASIK-Laserbehandlung am rechten Auge durchgeführt. Während des Eingriffs kam es zu einer Verdrehung des Augapfels, so dass sich der Laserschnitt dezentrierte. Der Beklagte brach daraufhin die LASIK-Behandlung ohne Flapöffnung ab und führte stattdessen an beiden Augen eine photorefraktive Keratektomie (nachfolgend PRK) durch. Der Kläger warf dem Beklagten unter Bezugnahme auf ein MDK-Gutachten vor, den Eingriff nicht abgebrochen, sondern durch Wechsel auf die PRK fortgeführt zu haben. Dadurch seien bei ihm ein irregulärer Astigmatismus, eine Sehverschlechterung, Narbenbildung, Trockenheit und Schmerzhaftigkeit der Augen eingetreten. Zudem sei er nicht über die durch die Durchführung des Eingriffs in Vollnarkose erhöhten Risiken und über die am linken Auge durchgeführte PRK aufgeklärt worden.

Das LG hat mit Versäumnisurteil den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 20.000 € zu zahlen. Auf den Einspruch des Beklagten hat es das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Dem Kläger stehen gegen den Beklagten keine Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden im Zusammenhang mit der Operation aus §§ 630a ff., 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB bzw. aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB zu. Behandlungsfehler des Beklagten bei der Durchführung des Eingriffs lagen nicht vor

Da an den vom Arzt zu führenden Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen zu stellen sind, darf das Gericht seine Überzeugungsbildung gem. § 286 ZPO auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Aufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und – wie hier – ein Aufklärungsgespräch unstreitig erfolgt ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben, wobei das von dem Arzt und dem Patienten unterzeichnete Formular, mit dem der Patient sein Einverständnis zu dem ärztlichen Eingriff gegeben hat, ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs darstellt.

Nach Anhörung der Parteien in der mündlichen Verhandlung war der Senat davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass der Beklagte den Kläger ordnungsgemäß darüber aufgeklärt hatte, dass es bei Komplikationen bei der Durchführung des LASIK-Verfahrens unter Vollnarkose zu einem Wechsel der Operationsmethode auf das PRK-Verfahren kommen kann und der Eingriff in diesem Fall an beiden Augen nach dem PRK-Verfahren fortgeführt werden kann. Der Beklagte hat glaubhaft dargestellt, dass er den Kläger über die Möglichkeit des Wechsels der Operationsmethode aufgeklärt hatte. Dies wurde insbesondere durch die handschriftlichen Eintragungen des Beklagten in dem verwendeten Formular bestätigt, in dem der Beklagte den entsprechenden Passus unterstrichen und handschriftlich mit dem Zusatz „gerade in Narkose“ versehen hatte, um zu verdeutlichen, dass gerade aufgrund des Narkosewunsches des Klägers es zu Schwierigkeiten bei der Operation kommen könnte, die einen Wechsel der Operationsmethode erfordern könnten.

Zwar hat der Beklagte auch eingeräumt, dass über die PRK und deren Risiken „nicht groß gesprochen“ worden sei. Andererseits hat der Kläger angegeben, sich bereits zuvor im Internet über die verschiedenen in Betracht kommenden Operationsverfahren informiert zu haben. Im Übrigen bestünde eine zusätzliche Aufklärungspflicht über die mit einer PRK verbundenen Risiken und Nebenwirkungen nur, wenn es sich dabei um eine Behandlungsalternative mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen handelt. Derartige unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen konnte der Senat allerdings nicht feststellen.

Der Kläger hat einen Entscheidungskonflikt auch im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nicht plausibel gemacht. Soweit er lediglich vorgetragen hatte, er hätte einer PRK nicht zugestimmt, weil diese unter Vollnarkose nicht möglich sei, war dies – wie der vorliegende Fall zeigt – nicht zutreffend. Jedenfalls ist im Rahmen der hypothetischen Einwilligung davon auszugehen, dass dem Kläger im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht gesagt worden wäre, eine PRK sei unter Vollnarkose nicht möglich. Insoweit hat der Kläger lediglich bei seiner Anhörung angegeben, er hätte nochmals nachgedacht. Dies mag aus der nunmehrigen ex-post-Situation durchaus verständlich sein, die nicht weiter begründete Behauptung ließ jedoch nicht erkennen, dass der Kläger aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht tatsächlich ernsthaft vor der Entscheidung gestanden hätte, die Operation nicht durchführen zu lassen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.01.2023 16:02
Quelle: Landesrecht Brandenburg

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