BGH v. 13.10.2022 - IX ZR 70/21

Wann ist die Zahlung im Wege der SEPA-Lastschrift insolvenzanfechtungsrechtlich vorgenommen?

Eine Zahlung im Wege der SEPA-Lastschrift ist erst mit ihrer vorbehaltlosen Einlösung durch die Schuldnerbank insolvenzanfechtungsrechtlich vorgenommen worden. Insolvenzanfechtungsrechtlich kommt es nicht auf die Erfüllung der Forderung im Valutaverhältnis an, sondern darauf, wann der Schuldner endgültig verfügt und wann der Zahlungsempfänger eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Sachwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der W-GmbH. Die Schuldnerin unterhielt ein Konto bei der Bank AG. Sie hatte dem Beklagten ein SEPA-Lastschriftmandat erteilt. In den AGB der Schuldnerbank hieß es in Abschnitt 9 unter der Überschrift "Einzugsaufträge":

"(1) Erteilung von Vorbehaltsgutschriften bei der Einreichung
Schreibt die Bank den Gegenwert von Schecks und Lastschriften schon vor ihrer Einlösung gut, geschieht dies unter dem Vorbehalt ihrer Einlösung, und zwar auch dann, wenn diese bei der Bank selbst zahlbar sind. … Werden Schecks oder Lastschriften nicht eingelöst …, macht die Bank die Vorbehaltsgutschrift rückgängig. Dies geschieht unabhängig davon, ob in der Zwischenzeit ein Rechnungsabschluss erteilt wurde.

(2) Einlösung von Lastschriften und vom Kunden ausgestellter Schecks
Lastschriften sowie Schecks sind eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag - bei SEPA-Firmenlastschrif-ten nicht spätestens am dritten Bankarbeitstag - nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird. …"


Am 12.11.2019 hatte der Beklagte die Lohnsteuer für Oktober 2019 i.H.v. 92.248 € eingezogen. Die Belastung des Kontos der W-GmbH und die Wertstellung auf dem Konto des Beklagten erfolgten am 14.11.2019. Am selben Tag beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und die Anordnung der Eigenverwaltung. Ebenfalls an diesem Tag ordnete das Insolvenzgericht die vorläufige Eigenverwaltung an. Am 15.11.2019, einem Freitag, um 11.01 Uhr unterrichtete die Schuldnerin den Beklagten per Fax von dem Eröffnungsantrag. Am 1.2.2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet.

Der Kläger verlangte im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr der 92.248 € nebst Zinsen. Er meinte unter Bezugnahme auf die AGB der Schuldnerbank, die Lastschrift sei erst am 18.11.2019, am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme, wirksam geworden, damit nach der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung und nach der Kenntnis des Beklagten hiervon. Der Beklagte hielt dagegen, die Schuldnerbank habe bereits am 12.11.2019 eine Vordisposition getroffen, nachdem es eine Anforderung der Leitbank gegeben habe, den streitgegenständlichen Betrag auszuzahlen.

Das LG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel des Beklagten blieben erfolglos.

Gründe:
Die Voraussetzungen eines Rückgewähranspruchs gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 143 Abs. 1 InsO sind erfüllt. Die Lastschrift ist erst im Rechtssinne eingelöst worden, nachdem der Beklagte Kenntnis vom Eröffnungsantrag erlangt hatte.

Insolvenzanfechtungsrechtlich treten die rechtlichen Wirkungen des Forderungseinzugs nach dem SEPA-Lastschriftverfahren im Verhältnis des Lastschriftschuldners zum Lastschriftgläubiger mit der vorbehaltlosen Einlösung der Lastschrift durch die Schuldnerbank ein. Beim SEPA-Lastschriftverfahren sind mehrere Rechtsbeziehungen zu unterscheiden. Das Valutaverhältnis zwischen dem zahlungspflichtigen Forderungsschuldner (Schuldner) und dem Forderungsgläubiger (Zahlungsempfänger) bestimmt, welche Leistungen der Schuldner zu erbringen hat. Ist Zahlung per SEPA-Lastschrift vereinbart, erteilt der Schuldner dem Zahlungsempfänger ein SEPA-Lastschriftmandat, mit dem er ihn ermächtigt, den geschuldeten Betrag von seinem Konto einzuziehen.

Im Deckungsverhältnis zu seinem Zahlungsdienstleister (Schuldnerbank), einem Zahlungsdiensterahmenvertrag (§ 675 f Abs. 2 BGB), autorisiert der Schuldner damit die Einlösung von SEPA-Lastschriften des Zahlungsempfängers (§ 675j Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Zahlungsempfänger reicht die SEPA-Lastschriften über seinen eigenen Zahlungsdienstleister (Gläubigerbank) ein, mit dem gleichfalls ein Zahlungsdiensterahmenvertrag besteht (Inkassoverhältnis). Dies ist Voraussetzung für die Teilnahme am SEPA-Lastschriftverfahren.

Nach gefestigter BGH-Rechtsprechung tritt im SEPA-Basislastschriftverfahren die Erfüllung der dem Einzug zugrundeliegenden Forderung mit der vorbehaltlosen Gutschrift auf dem Gläubigerkonto ein, auflösend bedingt durch die rechtzeitige Geltendmachung des Erstattungsanspruchs des Zahlers gegen den Zahlungsdienstleister gem. § 675x BGB. Der Gläubiger erlangt mit der vorbehaltlosen Gutschrift die erforderliche uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über den Zahlbetrag. Dass er infolge der Möglichkeit des Zahlungsschuldners, einen Erstattungsanspruch nach § 675x Abs. 2 BGB geltend zu machen, erst acht Wochen nach der Belastungsbuchung (vgl. § 675x Abs. 4 BGB) eine endgültig gesicherte Rechtsposition erlangt, hindert den Eintritt der Erfüllungswirkung nicht.

Insolvenzanfechtungsrechtlich kommt es allerdings nicht auf die Erfüllung der Forderung im Valutaverhältnis an, sondern darauf, wann der Schuldner endgültig verfügt und wann der Zahlungsempfänger eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der vorbehaltlosen Einlösung der Lastschrift durch die Schuldnerbank. Im Deckungsverhältnis des Schuldners zur Schuldnerbank findet der Vermögensabfluss mit der vorbehaltlosen Belastung des Kontos des Schuldners statt. Wenn die vom Gläubiger eingereichte Lastschrift über die Gläubigerbank an die Schuldnerbank gelangt ist, liegt ein wirksamer Zahlungsauftrag im Deckungsverhältnis vor. Mit dem Lastschriftmandat hat der Schuldner der Zahlung vorab zugestimmt (§ 675j BGB). Die Buchung ist folglich wirksam, so dass die Bank gem. § 675c Abs. 1, § 670 BGB ihren aus dem Zahlungsdiensterahmenvertrag (§ 675f Abs. 2 BGB) folgenden Aufwendungsersatzanspruch in das Kontokorrent einstellen kann.

Die Aufwendungen ergeben sich aus der Weiterleitung des Zahlungsbetrages an die Gläubigerbank. Der Schuldner hat dann in der Regel keine Möglichkeit mehr, seinem Kreditinstitut diesen Aufwendungsersatzanspruch durch einseitige Erklärung wieder zu entziehen. Gem. § 675j Abs. 2, § 675p Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Zahler den Zahlungsauftrag nicht mehr widerrufen, nachdem er die Zustimmung zur Ausführung des Zahlungsvor-gangs erteilt hat. Nur im Fall eines vereinbarten Fälligkeitstages kann der Zahler den Zahlungsauftrag bis zum Ende des Geschäftstags vor dem vereinbarten Fälligkeitstag widerrufen (§ 675p Abs. 2 Satz 2 BGB). Wenn der Zahlstelle der Widerruf bis zu diesem Zeitpunkt zugeht, ist die gleichwohl vorgenommene Belastungsbuchung ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang, der gemäß § 675u Satz 2 BGB zu berichtigen ist. Wie der Senat zum früheren Abbuchungsauftragsverfahren bereits entschieden hat, wird die Belastung des Schuldnerkontos allerdings erst dann wirksam, wenn die Lastschrift von der Schuldnerbank eingelöst wird.

Unter welchen Voraussetzungen ein Zahlungsdienstleister eine Lastschrift als eingelöst ansieht, kann im Zahlungsdiensterahmenvertrag gesondert geregelt werden. Nach Nr. 9 Abs. 2 der AGB der Bank der Schuldnerin galt eine Lastschrift als eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wurde. Eine entsprechende Regelung enthalten Nr. 9 Abs. 2 der AGB der Banken und Nr. 2.4.2 der AGB der Banken für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Lastschriftverfahren. Vor Ablauf der Stornierungsfrist von zwei Tagen ist die Lastschrift nicht vorbehaltlos eingelöst. Das Recht des Zahlers (des Schuldners), gem. § 675x Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 BGB binnen acht Wochen ab Belastungsbuchung von seiner Bank Erstattung des Zahlbetrages verlangen zu können, hat keinen Einfluss auf den Aufwendungsersatzanspruch der Zahlstelle und damit auf den Bestand der Belastungsbuchung.

Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich des Zahlungsempfängers. Im Inkassoverhältnis des Zahlungsempfängers (des Forderungsgläubigers) zur Gläubigerbank besteht zunächst ein Anspruch auf Gutschrift und unverzügliche Wertstellung des eingegangenen Betrags (§ 675f Abs. 2, § 675t Abs. 1 BGB). Im Zahlungsdiensterahmenvertrag kann jedoch vereinbart werden, dass die Gutschrift unter dem Vorbehalt der Einlösung der Lastschrift erfolgt. Eine entsprechende Regelung enthält Nr. 9 Abs. 1 der AGB der Banken. Dieser Vorbehalt ist zulässig. Wird die Lastschrift nicht eingelöst oder erhält die Bank den Betrag aus dem Einzugsauftrag nicht, macht die Bank die Vorbehaltsgutschrift rückgängig, unabhängig davon, ob in der Zwischenzeit ein Rechnungsabschluss erteilt wurde. Der Zahlungsempfänger erhält kein unentziehbares Recht, solange der Schuldner nicht endgültig verfügt hat.

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Aufsatz:
Zwischenruf zum AGB-Änderungsmechanismus der Banken
Hans-Gert Vogel, ZIP 2022, 682

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.11.2022 12:18
Quelle: BGH online

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