BGH v. 19.10.2022 - IV ZR 185/20

Reiseversicherung: Formulierung "unerwartete und schwere Erkrankung" nicht unwirksam

Die Formulierung "unerwartete und schwere" Erkrankung in den Bestimmungen einer Reiseversicherung (hier: B Reise-Rücktrittsversicherung Nr. 3.1, 3.15, 8 VB-RS 2014 (RRK/UG-D) und B Reiseabbruch-Versicherung Nr. 3.1, 7 VB-RS 2014 (RRK/UG-D)) verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Als primäre Leistungsbeschreibung unterfällt die Regelung gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB im Übrigen nicht der Inhaltskontrolle. Eine gem. § 32 Satz 1 VVG unwirksame Abweichung von den §§ 19 ff. VVG liegt nicht vor.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein als qualifizierte Einrichtung i.S.v. § 4 UKlaG eingetragener Verein. Er hatte von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung der Formulierung "unerwartete und schwere" Erkrankung in den Bestimmungen der B Reise-Rücktrittsversicherung Nr. 3.1, 3.15, 8 VB-RS 2014 (RRK/UG-D) und B Reiseabbruch-Versicherung Nr. 3.1, 7 VB-RS 2014 (RRK/UG-D)) verlangt, was diese ablehnte.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat das Urteil auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der BGH hat das Berufungsurteil bestätigt.

Gründe:
Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Unterlassung der beanstandeten Formulierung aus § 1 UKIaG verneint.

Die Formulierung "unerwartete und schwere" Erkrankung in den Bestimmungen einer Reiseversicherung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle auf Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Kontrollfrei bleiben bloße Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistungen festlegen. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann. Danach gehören die beanstandeten Klauseln jeweils in Teil B Nr. 3 VB zu dem engen Bereich, der durch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen ist.

Das so verstandene Leistungsversprechen der Beklagten weicht auch nicht i.S.v. § 32 Satz 1 VVG von §§ 19 ff. VVG ab. Soweit die Revision und Teile der Literatur anderer Ansicht sind, sehen sie in dem Formulierungsteil "unerwartete" überwiegend schon keinen Bestandteil des Hauptleistungsversprechens selbst, sondern nur eine sekundäre Risikobegrenzung. Hier wird die Beklagte durch die Klausel im Falle einer "erwarteten" Erkrankung nicht von ihrer Hauptleistung frei. Diese hat sie vielmehr überhaupt nur für "unerwartete" Erkrankungen versprochen. Ein weitergehendes Risiko - für "erwartete" Erkrankungen als mögliche Gefahrumstände i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG - hat sie entgegen der Ansicht der Revision nicht zunächst unbesehen übernommen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Ernst Führich
Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO im Jahre 2020
MDR 2021, 909

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.11.2022 16:04
Quelle: BGH online

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