AG Aschaffenburg v. 7.11.2022, 654 IK 298/21

Ist die Energiepreispauschale als Arbeitslohn pfändbar?

Das Gericht schließt sich der teilweise vertretenen Auffassung an, dass es sich bei der Energiepreispauschale (EPP) um einen Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis handelt. Nach § 120 Absatz 1 Satz 1 EStG finden die Vorschriften der AO über Steuervergütungen auf die Energiepreispauschale entsprechende Anwendung. Nach § 46 Absatz 1 AO können Steuervergütungen gepfändet werden. Somit ist nach Auffassung des Gerichts auch die im EStG geregelte Energiepreispauschale pfändbar.

Der Sachverhalt:
Der Schuldner hatte gem. § 906 Abs. 2 ZPO die Festsetzung eines von dem gesetzlichen Freibetrag abweichenden Freibetrags auf sein Kontoguthaben. Der Antrag wurde damit begründet, dass der Arbeitgeber des Schuldners „die von der Bundesregierung gezahlte Energiepreispauschale“ ausgezahlt hatte. Damit ist die in den §§ 112 ff. EStG geregelte Energiepreispauschale gemeint. Der Schuldner vertrat die Auffassung, dass diese Energiepreispauschale wegen einer eindeutigen Zweckbestimmung nach § 851 ZPO unpfändbar sei. Der Schuldner verwies diesbezüglich auf die Bundestagsdrucksache 20/1765 (Seiten 1 und 24) und auf den Beschluss des BGH vom 10.3.2021 – Az.: VII ZB 24/20.

Der Insolvenzverwalter stellte fest, dass in den Motiven des Gesetzgebungsverfahrens eine Stellungnahme, die sich bewusst mit der Pfändbarkeit oder Unpfändbarkeit befasst, nicht auffindbar ist. Nach seiner persönlichen Meinung sei die in den §§ 112 ff. EStG geregelte Energiepreispauschale zumindest mit einer Sozialleistung gem. § 54 SGB I vergleichbar. Der Schuldner führte das Girokonto, auf das die Energiepreispauschale ausgezahlt wurde, als Pfändungsschutzkonto i.S.v. § 850k ZPO. Ausweislich der Akte beträgt der unpfändbare Betrag auf das Kontoguthaben aktuell 1.340 € pro Monat. Ausweislich der dem Antrag beigefügten Lohnabrechnung erhielt der Schuldner für September 2022 einen Nettolohn von BETRAG Euro. Hiervon ist nach § 36 Absatz 1 InsO i.V.m. § 850c ZPO und der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2022 ein Teilbetrag von BETRAG Euro Insolvenzmasse, sodass dieser Betrag an den Insolvenzverwalter hätte gezahlt werden müssen. Obwohl die Energiepreispauschale gem. § 119 EStG zu versteuern ist, wurde ausweislich der Lohnabrechnung der Bruttobetrag von 300 € an den Schuldner ausgezahlt.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der Antrag ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Das Gericht kann aus den genannten Gründen nicht erkennen, dass die im EstG geregelte Energiepreispauschale unpfändbar sei.

Nach der Systematik des Gesetzes sind alle Vermögensgegenstände pfändbar, außer sie sind unpfändbar. Es gibt keine gesetzliche Regelung die ausdrücklich regelt, dass die Energiepreispauschale unpfändbar ist. Deshalb ist umstritten, ob die Energiepreispauschale pfändbar und somit Insolvenzmasse ist. Im Gegensatz zu der im Einkommenssteuergesetz geregelten Energiekostenpauschale ist im Gesetz ausdrücklich geregelt, dass die nach § 150a SGB XI geregelte Sonderzahlung an Pflegekräfte unpfändbar ist. Auch § 4 Absatz 2 RentEPPG und § 3 Absatz 2 VEPPGewG regeln ausdrücklich die Unpfändbarkeit der auszuzahlenden Beträge. Der Gesetzesbegründung zum Steuerentlastungsgesetz 2022 lässt sich nicht ausdrücklich entnehmen, dass es auch der Wille des Gesetzgebers gewesen wäre, dass die Energiepreispauschale nach dem EStG unpfändbar ist.

Nach § 117 Absatz 2 Satz 2 ESt müssen Arbeitgeber den von Ihnen auszuzahlenden Betrag der Energiepreispauschale aus dem Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer entnehmen. Somit handelt es sich bei der Energiepreispauschale nicht um Arbeitslohn. Der Hinweis des Bundesministeriums für Finanzen, dass die Energiepreispauschale nicht von einer Lohnpfändung umfasst sei, erscheint deshalb logisch und überzeugend. Eine Aussage dazu, ob die Energiepreispauschale pfändbar ist, wird auf der Internetseite des Bundesministeriums für Finanzen jedoch nicht getroffen. Nach § 54 Absatz 2 SGB I können einmalige Sozialleistungen nur gepfändet werden, wenn das unter Berücksichtigung der Umstände der Billigkeit entspricht. Wenn es sich bei der Energiepreispauschale um eine Sozialleistung handelt, würde die Vorschrift des § 54 SGB I auf sie Anwendung finden.

Nach § 851 ZPO sind nicht übertragbare Forderungen grundsätzlich nicht pfändbar. Eine Forderung ist dann nicht pfändbar, wenn sie einer eindeutigen Zweckbestimmung unterliegt. Die Auffassung des Schuldners, dass das bei der im EStG geregelten Energiepreispauschale der Fall sei, vermag nicht zu überzeugen. Das Ziel der Energiepreispauschale soll es nach der Gesetzesbegründung sein, dass die sprunghaft und drastisch gestiegenen Energiekosten, kurzfristig und sozial gerecht abgefedert werden. Was genau mit dem Begriff „Energiekosten“ gemeint ist, wird jedoch nicht näher ausgeführt. Die Energiepreispauschale nach dem EStG kommt nur Arbeitnehmern und Selbständigen zu Gute. Empfänger von Sozialleistungen, Rentner, Pensionäre und Studenten erhalten diese Energiepreispauschale nicht. Zwar sind die Preise für Kraftstoffe stark gestiegen. Gleichzeitig wurde dies aber durch andere Maßnahmen wie Homeoffice und das 9-Euro-Ticket kompensiert.

Das Gericht schließt sich der teilweise vertretenen Auffassung an, dass es sich bei der Energiepreispauschale um einen Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis handelt. Nach § 120 Absatz 1 Satz 1 EStG finden die Vorschriften der AO über Steuervergütungen auf die Energiepreispauschale entsprechende Anwendung. Nach § 46 Absatz 1 AO können Steuervergütungen gepfändet werden. Somit ist nach Auffassung des Gerichts auch die im EStG geregelte Energiepreispauschale pfändbar.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.11.2022 12:54
Quelle: Bayern.Recht

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