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Zugewinnausgleich in der anwaltlichen Praxis (Bruns, MDR 2022, 1130)

Lassen sich Ehegatten scheiden und haben beide während der Ehezeit nicht nur von der Hand in den Mund gelebt, hat der finanziell schwächere Teil Anspruch darauf, die Hälfte des Vermögens zu erhalten, das in der Ehe angesammelt wurde. Zu diesem Ausgleichsanspruch hält das Gesetz Regelungen bereit, die im folgenden Beitrag für die Praxis anhand zahlreicher Beispiele näher erläutert werden.


I. Einführung

II. Technik der Berechnung des Zugewinnausgleichs

1. Grundmodell

2. Modifikationen

3. Einschränkungen des Ausgleichsanspruchs

4. Doppelverwertungsverbot

III. Fälligkeit und Verzug

IV. Verjährung

V. Fazit


I. Einführung

Trennen sich Ehegatten, sind die während der Ehe entstandenen vermögensmäßigen Gemeinsamkeiten zu entflechten. Das geschieht auf dreierlei Weise: Zum einen sind im Versorgungsausgleich die Rentenanwartschaften nach dem Halbteilungsgrundsatz zu verteilen. Des Weiteren ist eine Entscheidung über die Ehewohnung und den Verbleib der Haushaltsgegenstände zu treffen. Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, ist als drittes der Zugewinnausgleich zu regeln. Alle drei Bereiche sind voneinander unabhängig. Insbesondere ist darauf zu achten, dass es nicht zu einer Doppelberücksichtigung von Vermögensbestandteilen kommt. Der vorliegende Aufsatz beschäftigt sich nur mit dem Zugewinnausgleich.

Ob und inwieweit Vermögen, das den Ehegatten allein oder gemeinsam gehört, zwischen ihnen aufgeteilt wird, wenn die Ehe endet, richtet sich nach dem Güterstand, in dem die Ehe geführt wird. In Betracht kommen als Wahlgüterstände die Gütertrennung (§ 1414 BGB) und die Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB). Diese sind notariell zu beurkunden und können auf diesem Wege jederzeit (mit Wirkung für die Zukunft) geändert werden (§§ 1408 Abs. 1, 1410 BGB). Treffen die Ehegatten keine Wahl, gilt für sie der Güterstand der Zugewinngemeinschaft (gesetzlicher Güterstand). Das ist eine Gütertrennung mit einer auf die Dauer der Ehe beschränkten Erwerbsgemeinschaft, wobei das Vermögen auch während der Ehe – anders als bei der Gütergemeinschaft i.S.d. §§ 1415 ff. BGB – im jeweiligen Eigentum der Ehegatten verbleibt.

Bei der Zugewinngemeinschaft verwaltet jeder Ehegatte sein Vermögen selbst. Was ein Ehegatte während der Ehe erwirbt, gehört ihm. Er kann darüber frei verfügen. Ausnahmen bestehen nur, soweit es um die Veräußerung von Gegenständen geht, die einem Ehegatten allein gehören, die er aber in den ehelichen Haushalt eingebracht hat und daher zum Hausrat gehören (§ 1369 BGB), und soweit ein Ehegatte sein gesamtes Vermögen veräußern oder belasten will (§ 1365 BGB). In diesen Fällen benötigt der Ehegatte die Zustimmung des anderen.

Soll die Ehe aufgelöst werden, wird geschaut, wieviel Vermögen die Ehegatten während der Ehe aufgebaut haben. Leistungen für die Ehe werden zum einen in finanzieller Hinsicht, zum anderen durch Haushaltsführung (§ 1360 Satz 2 BGB) und ggf. durch Kindererziehung (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) erbracht. Der ökonomische Erfolg der arbeitsteilig handelnden Ehegatten ist jedoch die Frucht ihrer beider Anstrengungen und steht daher beiden Ehegatten zu. Dabei unterstellt der Gesetzgeber, dass die Ehegatten gleichwertige Beiträge zur ehelichen Lebensgemeinschaft leisten. Das während der Ehe entstandene Vermögen ist daher hälftig zu verteilen, unabhängig davon, bei welchem Ehegatten sich der Gewinn realisiert hat (sog. Halbteilungsgrundsatz). Für die Aufteilung wird für beide Ehegatten gesondert das Anfangsvermögen zum Zeitpunkt der Begründung der Zugewinngemeinschaft, regelmäßig also für den Tag der standesamtlichen Hochzeit (§ 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB), und das Endvermögen zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (§ 1384 BGB) ermittelt, wenn die Zugewinngemeinschaft nicht schon früher (durch notariell beurkundete Abrede) beendet wurde (Stichtagsprinzip). Der Betrag, um den das Endvermögen das Anfangsvermögen übersteigt, ist der sog. Zugewinn (§ 1373 BGB). Für die Erstellung der Zugewinn-Bilanzen wird jeder Vermögensgegenstand (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.09.2022 10:02
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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