OLG Frankfurt a.M. v. 22.8.2022 - 6 UF 131/22

Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren bei Anhängigkeit gerichtlichen Verfahrens über Unterhaltsanspruch des Kindes nicht statthaft

Ein Antrag auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren ist nach § 249 Abs. 2 FamFG unstatthaft, wenn zum Zeitpunkt von dessen Zustellung bereits ein gerichtliches Verfahren über den Unterhaltsanspruch des Kindes anhängig gewesen ist. Hierbei genügt ein Auskunftsstufenverfahren, weil auch dieses auf Zahlung von Unterhalt gerichtet ist und zudem der Leistungsanspruch bereits rechtshängig wird. Die Anhängigkeit besteht auch dann fort, wenn das Stufenverfahren nach einem Teilbeschluss über die Auskunft nicht weiterbetrieben wird. Das vereinfachte Verfahren ist im Übrigen auch dann unzulässig, wenn die Angaben in dem Antrag nicht der Wahrheit entsprechen und der wahre Sachverhalt die Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren nicht rechtfertigt, was der Antragsgegner ungeachtet von § 256 FamFG im Beschwerdeverfahren einwenden kann.

Der Sachverhalt:
Das AG setzte auf den Antrag der Beschwerdegegnerin vom 15.11.2021 im vereinfachten Verfahren mit Beschluss vom 4.5.2022 vom Beschwerdeführer zu zahlenden Kindesunterhalt für die Zeit ab 1.1.2021 fest.

Die Eltern des betroffenen Kindes sind verheiratet und leben getrennt. Die Mutter leitete mit am 27.1.2021 eingegangenem Schriftsatz beim AG ein Stufenverfahren ein, in dem der Beschwerdeführer zur Auskunft und Leistung von Kindesunterhalt verpflichtet werden soll. Seit Erlass eines Teilbeschlusses vom 16.4.2021 über die Verpflichtung zur Auskunft wurde das Verfahren nicht weiter betrieben und die Akte weggelegt. Die aus Mutter und betroffenem Kind bestehende Bedarfsgemeinschaft bezieht seit dem 1.1.2022 aufgrund eines Umzugs keine Leistungen der Beschwerdegegnerin mehr.

Das OLG gab der Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der dieser u.a. eine fehlende Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin rügt, statt.

Die Gründe:
Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 4.5.2022 war aufzuheben und der Festsetzungsantrag abzuweisen, weil dieser bereits gem. § 249 Abs. 2 FamFG unstatthaft war.

Gem. § 249 Abs. 2 FamFG ist ein Festsetzungsantrag unstatthaft, wenn zum Zeitpunkt von dessen Zustellung bereits ein gerichtliches Verfahren über den Unterhaltsanspruch des Kindes anhängig ist. Zu den Verfahren i.S.d. § 249 Abs. 2 FamFG gehören auch Auskunftsstufenverfahren. Dabei kommt es auf deren Anhängigkeit an, die auch weiterhin gegeben ist, wenn ein Verfahren nicht weiter betrieben und die Akte nach der Aktenordnung weggelegt ist. Vorliegend war zur Zeit der Zustellung des Festsetzungsantrages am 31.3.2022 das mit Antrag der Mutter in Verfahrensstandschaft mit Eingang vom 27.1.2021 eingeleitete Auskunftsstufenverfahren auf Kindesunterhalt noch anhängig. Das Auskunftsstufenverfahren wurde vorliegend mit Einreichung von Auskunftsstufenantrag und Verfahrenskostenhilfeantrag anhängig. Im Übrigen wurde die auf Auskunft und Kindesunterhalt gerichtete Stufenklage am 18.3.2021 zugestellt und war vor Einleitung des vorliegenden Festsetzungsverfahrens auch bereits rechtshängig. Das Verfahren wurde von den Beteiligten nach Erteilung von Auskünften nicht weiter betrieben und die Akte weggelegt, was an dessen Rechtshängigkeit nichts ändert.

Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren für den Zeitraum ab Januar 2022 auch nicht vor, weil die abgegebene Erklärung nach § 250 Abs. 1 Nr. 12 FamFG, dass der beantragte Unterhalt Leistungen für das Kind nicht übersteigt, für den Zeitraum ab Januar 2022 bereits zum Zeitpunkt der Zustellung des Festsetzungsantrags am 31.3.2022 falsch war. Dieser Umstand ist nach § 256 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu berücksichtigen. Denn nach § 256 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu berücksichtigende Einwendungen gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Unterhaltsverfahrens betreffen die Richtigkeit der gem. §§ 249, 250 FamFG erforderlichen Angaben des Antragstellers. Die Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens umfasst neben den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen auch die in den §§ 249 und 250 FamFG genannten Voraussetzungen. Das vereinfachte Verfahren ist unzulässig, wenn die Angaben in dem Antrag nicht der Wahrheit entsprechen und der wahre Sachverhalt die Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren nicht rechtfertigt.

Nach diesen Maßstäben ist für den Zeitraum ab Januar 2022 die Festsetzung eines auf die Beschwerdegegnerin übergegangenen Anspruchs auf Kindesunterhalt ausgeschlossen. Die aus Mutter und betroffenem Kind bestehende Bedarfsgemeinschaft hat seit Januar 2022 keine Leistungen von der Beschwerdegegnerin bezogen. Eine Festsetzung würde für diesen Zeitraum bedeuten, dass der beantragte Unterhalt entgegen der Erklärung nach § 250 Abs. 1 Nr. 12 FamFG die Leistung für das Kind übersteigt. Ein Unterhaltsanspruch aus nach § 33 SGB II übergegangenem Recht könnte daher auch aus diesem Gesichtspunkt für den Zeitraum ab Januar 2022 nicht festgesetzt werden.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Einwand der fehlenden Leistungsfähigkeit im vereinfachten Unterhaltsverfahren
OLG Frankfurt vom 20.05.2022 - 4 WF 42/22
Regina Bömelburg, FamRB 2022, 296

Aufsatz
Das vereinfachte Unterhaltsverfahren nach §§ 249 ff. FamFG
Tanja Langheim, FamRZ 2021, 1779

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.09.2022 14:09
Quelle: LaReDa Hessen

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