Aktuell in der MDR

Aktuelle Entwicklungen in der Kasko-Versicherung (Nugel, MDR 2022, 1121)

Die Rechtsprechung zu Fällen aus der Kasko-Versicherung innerhalb der Kraftfahrtversicherung entwickelt sich ständig fort und wird in den kommenden Jahren auch durch die Möglichkeit des Auslesens von Fahrzeugdaten und die sich daraus ergebenden Erkenntnisse im erheblichen Umfang geprägt werden. Der folgende Beitrag legt für die Praxis wichtige ausgewählte Themenschwerpunkte einschließlich der Bedeutung des Auslesens von Daten aus Fahrzeugen für die Kasko-Versicherung dar.


I. Kasko-Versicherung und Auslesen von Fahrzeugdaten

1. Auslesen von Daten aus einem Fahrzeug als Obliegenheit

a) Ausgestaltung der Aufklärungsobliegenheit

b) Beispielsfall des OLG Köln

2. Fahrzeugdaten im Anwendungsbereich der DS-GVO

3. Aufklärungsmöglichkeiten durch Fahrzeugdaten

a) Überprüfung von Entwendungen

b) Unfallrekonstruktion durch Auslesen von Daten

4. Neue EU-Gesetzgebung

II. Einwand der arglistigen Obliegenheitsverletzung

1. Grundsätzliche Bedeutung und Definition

2. Fallgruppen in der Praxis

a) Angaben zu Vorschäden

b) Arglist bei weiteren falschen Auskünften

III. Weitere praxisrelevante Streitpunkte

1. Einwand des Sachverständigenverfahrens

2. Nachweis des Versicherungsfalls im Prozess

3. Einwand der „Unfallflucht“

a) Voraussetzungen einer Obliegenheitsverletzung

b) Kausalitätsgegenbeweis bei Unfallflucht

c) Einwand der Arglist bei Unfallflucht

4. Nutzungsausfall in der Kasko-Versicherung


I. Kasko-Versicherung und Auslesen von Fahrzeugdaten

Die in modernen Fahrzeugen vorhandenen Daten erleichtern die Aufklärung bzw. Überprüfung von Versicherungsfällen in der Kasko-Versicherung im erheblichen Umfang und die Technik entwickelt sich hierzu immer weiter fort. Für die nächsten Jahre steht zu erwarten, dass die Rechtsprechung diesem Umstand Rechnung tragen muss, während eine aktuelle Entwicklung in der EU-Gesetzgebung zu einer Vielzahl an weiteren Erkenntnismöglichkeiten führen wird.

1. Auslesen von Daten aus einem Fahrzeug als Obliegenheit

Üblicherweise beginnt eine Diskussion zu diesem Themenkreis immer mit der klassischen Frage: „Wem gehören die Daten?“ Diese Frage ist mangels einer Eigentümerstellung an Daten irreführend – letztendlich geht es bei der Auswertung von Informationen aus einem Kfz zum Eintritt eines Versicherungsfalls um personenbezogene Daten, die einem Betroffenen i.S.d. Art. 4 DS-GVO zugeordnet werden können. Dies kann der Versicherungsnehmer (Im Folgenden VN) selber oder eine von dem VN verschiedene Person als Fahrer/Nutzer des Kfz sein. Wenn nun der Versicherer auf die im Fahrzeug des Versicherungsnehmers hinterlegten oder bei einem „Online-Fahrzeug“ auf die beim Hersteller vorhandenen Daten zurückgreifen möchte, stellt sich für den Versicherungsnehmer die Frage, ob er diesem Vorgehen zustimmen bzw. dies zumindest gestatten muss.

a) Ausgestaltung der Aufklärungsobliegenheit

Ausgangspunkt ist die in Abschnitt E.1.13 AKB üblicherweise (z.B. in dieser Form in den Musterbedingungen des GDV) zugrunde gelegte Obliegenheit, wonach der Versicherungsnehmer alles tun muss, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich ist. Hierzu gehört insbesondere die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, dem Versicherer Untersuchungen zu Umständen des Schadensereignisses und zur Leistungspflicht zu ermöglichen, soweit dies dem Versicherungsnehmer zumutbar ist. Er muss angeforderte Nachweise vorlegen, soweit dies ihm billiger Weise zugemutet werden kann, diese zu beschaffen und die für die Aufklärung des Schadens erforderlichen Weisungen befolgen, soweit es ihm zumutbar ist. Unter diese Obliegenheit lässt sich mithin ohne weiteres eine vom Versicherer geforderte Untersuchung des Fahrzeuges oder die Weisung, eine solche Untersuchung zu gestatten, fassen oder aber die Aufforderung, dass der Versicherungsnehmer ein von ihm schon eingeholtes Gutachten mit ausgelesenen Fahrzeugdaten dem Versicherer zur Verfügung stellt.

b) Beispielsfall des OLG Köln

Mit einer solchen Konstellation hatten sich das LG Köln und in der zweiten Instanz das OLG Köln zu befassen und haben eine insoweit richtungsweisende Entscheidung getroffen. Der Kläger hat einen Leistungsanspruch aus der Vollkaskoversicherung wegen eines Verkehrsunfalls verfolgt, bei dem er erst nach links und dann nach rechts beim Durchfahren einer Kurve gegen eine Leitplanke gestoßen sein will. Der Kaskoversicherer hatte erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Plausibilität (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.09.2022 11:40
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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