OLG Köln v. 24.6.2022 - 6 U 8/22

Werbung mit sehr gutem Teilergebnis bei mangelhaftem Gesamtergebnis kann ausnahmsweise zulässig sein

Die Werbung mit einem sehr guten Teilergebnis bei mangelhaftem Gesamtergebnis der „Stiftung Warentest“ stellt sich ausnahmsweise nicht als irreführend dar, wenn die zwischenzeitliche Verbesserung des Produkts bereits ihren Niederschlag im Testbericht findet und die "Stiftung Warentest" bereits dort die Gesamtnote ausdrücklich relativiert hat. Es macht einen Unterschied, ob die „Stiftung Warentest“ bereits in dem redaktionellen Teil des konkreten Testberichts selbst ihre eigene Bewertung relativiert oder ob dies erst im Nachhinein geschieht, nachdem der Testbericht – ohne Relativierung – bereits dem Publikum zugänglich gemacht wurde.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite die Erstellung und Gestaltung von Fotobüchern an. In einem im August 2020 durchgeführten Test der Stiftung Warentest hat sie das Gesamtergebnis „Mangelhaft“ erreicht. In der Einzelkategorie „Bildqualität“ hat sie das Urteil „Sehr gut“ erhalten, womit sie fortan isoliert geworben hat. Das schlechte Gesamtergebnis beruhte im Wesentlichen auf einer von der Stiftung Warentest festgestellten Datenunsicherheit. Vor Veröffentlichung ist die Beklagte auf die Unsicherheit hingewiesen worden, woraufhin sie ihre Datensicherheit verbessert hat. Diese Nachbesserung ist im Testbericht ausdrücklich näher thematisiert worden.

Der Kläger hat die Werbung der Beklagten abgemahnt, weil durch die isolierte Hervorhebung des sehr guten Teilergebnisses das schlechte Gesamtergebnis des getesteten Beklagtenprodukts kaschiert werde. Das LG hat die Klage auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten mangels Irreführung abgewiesen. Das OLG hat die hiergegen gerichtete  Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung der Werbung mit dem Teilergebnis zu. Insbesondere ergibt sich kein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 8 UWG wegen Irreführung.

Der Klägerin ist zwar einzuräumen, dass grundsätzlich ein Testergebnis immer nur eine Momentaufnahme darstellt und nachträgliche Veränderungen und Verbesserungen unberücksichtigt zu bleiben haben. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls, soweit die Veränderungen/Verbesserungen keinen Niederschlag in der inhaltlichen Bewertung durch die Stiftung Warentest finden, sei es weil die Verbesserungen nicht vor Veröffentlichung durchgeführt worden sind oder der Stiftung Warentest unbekannt oder von ihr nicht verifiziert worden sind.

Der vorliegende Fall weist jedoch die Besonderheit auf, dass die Stiftung Warentest die Verbesserung des getesteten Produkts nicht nur zur Kenntnis genommen und geprüft hat, sondern aufgrund der Nachbesserung ihre ursprüngliche Bewertung über das Beklagtenprodukt in ihrem Testbericht selbst ausdrücklich relativiert hat. Auch wenn sie als Gesamtergebnis ihres Tests an der Note „Mangelhaft“ festgehalten hat, hat sie doch ausdrücklich erläutert, dass und weshalb das Beklagtenprodukt unter Berücksichtigung der besseren Datensicherheit zu den Besten gehöre. Würde die Beklagte bei dieser Sachlage gezwungen, neben dem Teilergebnis stets mit einem Hinweis auf das Gesamtergebnis „Mangelhaft“ zu werben, von dem die Stiftung Warentest inhaltlich bereits bei Veröffentlichung des Testberichts abgerückt ist, würde sich dies – ohne eine Aufklärung über die Nachbesserung und deren Berücksichtigung durch die Stiftung Warentest – vielmehr als irreführend zu ihren Lasten darstellen.

Soweit der Kläger die Beschränkung auf den konkreten Testbericht als „gekünstelt“ ansieht, weil die Argumentation des Senats auch dann greife, wenn die Stiftung Warentest in einem Folgetest oder auf ihrer Webseite auf Nachbesserungen reagiere, kann dem nicht gefolgt werden. Es macht einen Unterschied, ob die Stiftung Warentest bereits in dem redaktionellen Teil des konkreten Testberichts selbst ihre eigene Bewertung relativiert oder ob dies erst im Nachhinein geschieht, nachdem der Testbericht – ohne Relativierung – bereits dem Publikum zugänglich gemacht wurde. Denn jedenfalls für die Zeit zwischen Veröffentlichung des Testberichts bis zur nachträglichen Nachbesserung und entsprechenden Relativierung des Testergebnisses würden Verbraucher, die das Produkt – ohne Nachbesserung – nur aufgrund der vorteilhaften Teilnote erworben haben, in die Irre geführt.

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Kurzbeitrag:
OLG Hamburg hält "Günstig wie im Supermarkt" nicht für irreführend
René Rosenau, IPRB 2021, 255

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.09.2022 14:15
Quelle: Justiz NRW

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