AG Schmallenberg v. 29.6.2022 - 3 C 32/22

Hotelstornierung wegen berechtigter Sorge um die Einhaltung der Corona-Regeln möglich

Setzt ein Hotelier in ganz erheblicher Weise nach außen den Rechtsschein, dass er die CoronaSchVO nicht nur ablehnt, sondern auch zu umgehen versucht, ist es einem Gast, der die Corona-Pandemie offenkundig ernst nimmt, schlicht nicht mehr zuzumuten, mit seiner Familie im Hotel der Beklagten zu übernachten und Urlaub zu machen. Er kann die komplette Rückzahlung der bereits geleisteten Anzahlung verlangen.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt ein Familienhotel. Der Kläger hatte am 3.12.2021 für sich und seine Familie ein Drei- Raum-Appartement zum Tarif „All-Inclusive-Premium“ zum Preis von 2.120 € für die Zeit vom 3.1.2022 bis 7.1.2022 gebucht. Bei einer Stornierung im Zeitraum von 30 bis 3 Tagen vor Reiseantritt sollte ein Stornoentgelt von 50 % des Gesamtpreises zu zahlen sein.

Am 23.12.2021 erhielt der Kläger per E-Mail ein Rundschreiben des Hotels. Neben guten Wünschen für Weihnachten und das neue Jahr enthielt das Schreiben unter der Überschrift „... ein persönliches Statement“ folgenden Text:

„Die Gesundheit unserer großen und kleinen Gäste und Mitarbeitenden liegt uns sehr am Herzen!

Gerade vorgestern wurde die Umsetzung unseres Hygienekonzeptes vor Ort erneut ohne Beanstandung bei einem spontanen Besuch der Behörde abgenommen.

Was mich jedoch sehr besorgt:

Wir werden seit Wochen per Verordnung dazu gedrängt, Menschen auszugrenzen; denn es gelte 2G für Privatreisende und 3G bei Geschäftsreisen. Das fällt uns schwer. Und wir haben gleichzeitig Verständnis für Menschen, die sich die Injektionen aus unterschiedlichen Gründen nicht verabreichen lassen wollen. Wir haben festgestellt, dass dieses Verständnis von vielen Menschen und Medien gerade als herzlos angesehen wird. Dabei geht es genau um Herzlichkeit, Menschlichkeit, Nächstenliebe (egal welchen Impfstatus der Nächste hat).

Verfallen wir nicht in den Fehler, bei jedem Andersmeinenden entweder an seinem Verstand oder an seinem guten Willen zu zweifeln. Otto von Bismarck

Ich wünsche mir zu Weihnachten, dass wir alle als Menschen wieder näher zusammenrücken und uns gegenseitig achten. Ich hoffe, das ist nicht zuviel verlangt für das Christkind.“


Sofort nach Erhalt des Rundschreibens schickte der Kläger eine E-Mail an das Hotel und stornierte die Buchung. Er begründete dies damit, dass er nach dem Rundschreiben und einer Recherche im Internet befürchte, dass in dem Hotel die Corona-Regeln nicht eingehalten würden und er Angst um die Gesundheit seiner Kinder habe. Er klagte auf Rückzahlung der bereits gezahlten 1.060 €. Das AG gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Kläger hat nach der fristlosen Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Beherbergungsvertrages einen Anspruch auf komplette Rückzahlung der bereits geleisteten Anzahlung aus § 812 Abs. 1 BGB.

Der Kläger war berechtigt, den Vertrag entsprechend der Regeln für den Mietvertrag § 543 BGB aus wichtigem Grund zu kündigen, so dass die Beklagte die komplette Anzahlung rechtsgrundlos erhalten hat und um diese ungerechtfertigt bereichert ist. Nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers hat die Beklagte, bereits in der Reservierungsbestätigung deutlich gemacht, dass sie die Corona-Regeln als Ausgrenzungsregeln ansieht und sie der Impfstatus nicht interessiert. Dadurch, dass die Beklagte auch unstreitig in einem entsprechenden Internetportal ausdrücklich ungeimpftes Personal gesucht hat, hat sie den öffentlichen Eindruck, sie lehne die CoronaSchVO weitgehend ab, nochmal verstärkt. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil gegen die Beklagte rechtskräftig durch Bußgeldbescheide wegen Verstoßes gegen die CoronaSchVO NRW i.V.m. dem IfSG als Hotelbetreiberin Geldbußen von insgesamt 15.000 € verhängt wurden und zwei weitere Verfahren nach § 47 OWiG eingestellt wurden.

Damit hat die Beklagte in ganz erheblicher Weise nach außen den Rechtsschein gesetzt, dass sie die CoronaSchVO nicht nur ablehnt, sondern auch zu umgehen versucht. Hierdurch war es dem Kläger, der die Corona-Pandemie offenkundig ernst nimmt, schlicht nicht mehr zuzumuten, mit seiner Familie im Hotel der Beklagten zu übernachten und Urlaub zu machen. Denn der Kläger hätte aufgrund dieses durch die Beklagte selbst erzeugten Eindrucks keinen unbeschwerten Urlaub machen können, sondern hätte stets die latente Angst vor Hygienemängeln und damit der Gefahr vor einer Infektion von sich oder seiner Familie mit des SARS-Covid 2 Virus haben müssen.

Dabei kann es völlig dahinstehen, ob die Beklagte zu dem fraglichen Zeitpunkt tatsächlich weiter gegen Bestimmungen der CoronaSchVO NRW verstoßen hat und ob zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Hygieneverstöße vorlagen. Dem Kläger war es weder zumutbar, noch möglich dieses zu prüfen. Es ist daher aufgrund der Äußerungen der Beklagten nachvollziehbar, dass der Kläger ernsthafte Befürchtungen haben musste, dass im Beherbergungsbetrieb der Beklagten in allen Bereichen, insbesondere aber auch im nicht für die Gäste sichtbaren Bereich (Küche, Zimmerreinigung pp.) gegen die Hygienevorschriften und Empfehlungen der anerkannten medizinischen Wissenschaft und des RKI (Robert-Koch-Institut) verstoßen wird.

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Kurzbeitrag
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MDR 2022, R219

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.09.2022 12:59
Quelle: Justiz NRW

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