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Der Kündigungsbutton gem. § 312k BGB im elektronischen Geschäftsverkehr (Kulke, MDR 2022, 1069)

Das Gesetz für faire Verbraucherverträge (BGBl. I Nr. 53 v. 17.8.2021, S. 3433) hat zahlreiche gesetzliche Änderungen, u.a. in den AGB-Vorschriften des BGB und UWG, hervorgebracht (zum Überblick s. Kulke, MDR 2021, 129). Eine wesentliche Neuerung ist die Einführung eines Kündigungsbuttons nach § 312k n.F. BGB, der in der jetzt geltenden Fassung zum 1.7.2022 in Kraft getreten ist. Mit Hilfe dieser „Kündigungsschaltfläche“ soll dem Verbraucher eine schnelle und unkomplizierte Kündigung von im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossenen Verbraucherverträgen möglich sein. Der folgende Beitrag befasst sich eingehend mit den Hintergründen und praktischen Problemen der neuen Regelung des § 312k BGB.

I. Persönlicher Anwendungsbereich
II. Sachliche Voraussetzungen

1. Ermöglichung eines Vertragsabschlusses über eine Webseite
2. Begründung eines Dauerschuldverhältnisses
3. Vertrag über eine entgeltliche Leistung des Unternehmers
4. Keine Schaffung eines eigenen Kündigungsrechtes
5. Regelung der Modalitäten zur Ausübung (nur) von Kündigungsrechten
6. Bereichsausnahmen
III. Rechtsfolgen bei Erfüllung der Voraussetzungen gem. § 312k Abs. 1 Satz 1 BGB
1. Erweiterung der Verbraucherrechte und keine ausschließliche Lösung
2. Ein Klick: Vertragsschluss, ein Klick: Kündigung?
3. Die durch den Kündigungsbutton vorgesehene Lösung
4. Die Kündigungsschaltfläche
a) Beschriftung
b) Platzierung
5. Die Bestätigungsseite
6. Die Bestätigungsschaltfläche
7. Ständige Verfügbarkeit, unmittelbare und leichte Zugangsmöglichkeit
8. Speicherung und sofortige Bestätigung (§ 312k Abs. 3, Abs. 4 BGB)
9. Zweifelsregelung bezüglich der Wirkung der Kündigung (§ 312k Abs. 5 BGB)
10. Sanktion des § 312k Abs. 6 BGB
IV. Fazit


I. Persönlicher Anwendungsbereich

1
Für den persönlichen Anwendungsbereich des § 312k BGB müssen Verbraucher gem. § 13 BGB und Unternehmer gem. § 14 Abs. 1 BGB agieren. Nach dem Wortlaut des § 312k BGB muss aber derjenige, der als Verbraucher einen Vertrag abgeschlossen hat und für eine Leistung eines Unternehmers zur Entrichtung eines Entgelts verpflichtet ist, nicht zwingend derjenige sein, dem eine entsprechende Kündigungsmöglichkeit mittels Kündigungsbutton einzuräumen ist.

II. Sachliche Voraussetzungen
2
Die sachlichen Voraussetzungen für eine mögliche Anwendung des § 312k BGB scheinen teilweise nicht vollständig abgestimmt mit anderen Vorschriften und sind auch nicht zwingend klar und eindeutig formuliert.

1. Ermöglichung eines Vertragsabschlusses über eine Webseite
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Es fragt sich, ob die Webseite des Unternehmers, die es dem Verbraucher ermöglicht, einen Vertrag mit dem Unternehmer abzuschließen, zwingend diejenige sein muss, auf der die Voraussetzungen für eine Kündigung durch das Bereitstellen des Kündigungsbuttons von dem Unternehmer zu erfüllen sind. Der Unternehmer, der dem Verbraucher den Vertragsabschluss im elektronischen Geschäftsverkehr ermöglicht, muss der Unternehmer sein, der die Pflichten gem. § 312k BGB zu erfüllen hat. Insoweit sollte nicht von einem engen Unternehmensbegriff, sondern von einem weiten Verständnis ausgegangen werden. Entscheidend durfte der objektive Eindruck sein, der für den Verbraucher entsteht, ob es sich bei dem Unternehmer, mit dem er einen Vertrag abgeschlossen hat, um genau denjenigen handelt, der auf seiner Webseite nun die Kündigungsmöglichkeit für einen Vertrag zur Verfügung zu stellen hat.

4
Die Anforderungen des § 312k BGB können für kleinere Unternehmer, die sich der großen Handelsplattformen bedienen, eventuell schwierig zu erfüllen sein. Wer sich aber die Vorteile einer solchen Vertriebsmöglichkeit zu eigen macht, muss auch die daraus resultierenden Nachteile zu tragen bereit sein. Zutreffend ist aber die Kritik an der nicht hinreichend ausdifferenzierten Regelung, obwohl man gerade die strukturelle Unterlegenheit kleinerer Unternehmer gegenüber den großen Online-Marktplätzen hätte berücksichtigen können. Die Gesetzesbegründung weist nur auf die entsprechende vertragliche Verpflichtung für die großen Online-Marktplätze durch die kleinen Unternehmer hin, was nicht zwingend realistisch erscheint. Zu denken gewesen wäre etwa an eine gemeinsame Verantwortlichkeit.

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Ausweislich des klaren Wortlautes des Gesetzes ist es nicht erforderlich, dass der vom Verbraucher abgeschlossene Vertrag im konkreten Fall auch auf einer oder gar dieser Webseite im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossen worden ist, über die der Verbraucher nun die Kündigung erklären will. § 312k Abs. 1 S. 1 BGB verlangt nur, dass es Verbrauchern über eine Webseite ermöglicht wird, einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr abzuschließen. Aus teleologischen Erwägungen heraus ist dies nicht unproblematisch. Denn soweit es sich bei dem Kündigungsbutton um das Gegenstück zum Bestellbutton auf einer Bestellwebseite handeln und dieser Kündigungsbutton dem Verbraucher gerade die Möglichkeit gewähren soll, so schnell und unkompliziert aus dem Vertrag zu gelangen, wie dieser Vertrag auch begründet wurde, könnte unter teleologischen Gesichtspunkten auch ein Vertragsabschluss über eine Bestellwebseite gefordert werden. Im Sinn eines effizienten Verbraucherschutzes ist aber dem Wortlaut zufolge allein die Möglichkeit ausreichend und kein Vertragsschluss des zu kündigenden Vertrages auch im Wege des elektronischen Geschäftsverkehrs zu fordern. Da es nur um die angebotene Möglichkeit eines Vertragsabschlusses im elektronischen Geschäftsverkehr geht, ist bei dem Begriff des Vertrages der Vertrag allgemein gemeint, so dass es nicht auf genau den einen konkreten Vertrag ankommen kann, sondern auf Verträge dieser Art. 8 Ausreichend ist es, dass der Unternehmer den Online-Abschluss von Dauerschuldverhältnissen der betreffenden Art vorsieht, wobei insbesondere Zusatzvereinbarungen, Ergänzungen oder Änderungsverträge kein Hindernis für die Wahrnehmung der Kündigungsmöglichkeit darstellen dürfen.

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Nicht ganz unproblematisch erscheint der in der Gesetzesbegründung genannte Zeitpunkt. Dort heißt es, dass es für die Begründung der Verpflichtung des Unternehmers entscheidend ist, „ob der Unternehmer zum Zeitpunkt der Kündigung eines Vertrags dessen Abschluss im elektronischen Geschäftsverkehr ermöglicht“. Hat der Verbraucher aufgrund einer entsprechenden, vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Möglichkeit dazu einen Vertrag im Wege des elektronischen Geschäftsverkehrs abgeschlossen, so ist der Unternehmer nach dieser Feststellung nicht verpflichtet, die entsprechenden Schaltflächen im Netz anzubieten, wenn er es nun – zum Zeitpunkt einer potentiellen Kündigungserklärung – dem Verbraucher nicht mehr ermöglicht, einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr abzuschließen. Das allerdings steht im Widerspruch dazu, dass der Kündigungsbutton das Gegenstück zum Bestellbutton darstellen und dem Verbraucher ermöglichen soll, sich so einfach wieder von den vertraglichen Verpflichtungen zu lösen, wie sie einmal begründet worden sind.

2. Begründung eines Dauerschuldverhältnisses
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Gemäß § 312k Abs. 1 S. 1 BGB muss der Vertrag, dessen Abschluss der Unternehmer dem Verbraucher im elektronischen Geschäftsverkehr ermöglicht, auf die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet sein. Grundsätzlich unterscheidet sich das Dauerschuldverhältnis von den auf eine einmalige Leistung gerichteten Schuldverhältnissen dadurch, dass...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.09.2022 12:12
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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