Aus der MDR

AGB-Recht – Aktuelle Entwicklungen bei Einbeziehung, Inhaltskontrolle und Rechtsfolgen (Zimmermann, MDR 2022, 857)

Der Beitrag dient der Fortführung der bis zum Jahr 2020 von Jürgen Niebling verfassten Rechtsprechungsübersichten zum AGB-Recht (zuletzt Niebling, MDR 2020, 650 sowie MDR 2019, 844 und 907). Er gibt einen Überblick über die Entwicklung der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung zum AGB-Recht im Jahr 2021, soweit sie allgemeine Fragen der AGB-Kontrolle, insbesondere AGB-Begriff, Einbeziehung, Inhaltskontrolle und Rechtsfolgen betreffen. In einem gesonderten Aufsatz (MDR-Ausgabe 15/2022) werden einzelne Vertragstypen und -klauseln behandelt.

I. AGB-Begriff
1. Einseitige Rechtsgeschäfte
2. Vorformulierung für eine Vielzahl von Verträgen
3. Widerrufsbelehrung trotz fehlendem gesetzlichen Widerrufsrechts
a) Auslegung der Widerrufsbelehrung
b) Beurteilung der Rechtslage durch den III. und XI. Zivilsenats

II. AGB-Änderung durch Zustimmungsfiktion
1. Kein Ausschluss der Inhaltskontrolle wegen Übereinstimmung mit § 675 g BGB
2. Unangemessene Benachteiligung des Kunden
3. Anforderungen an einen Änderungsmechanismus
4. Die überarbeiteten AGB-Banken

III. Auslegungsfragen
1. Zugangsrecht des Architekten
2. Reichweite einer Gerichtsstandsklausel
3. Schadenspauschalierung für Kartellschäden
4. Sonderkundenverträge über die Belieferung mit Strom
5. Aufzählung von Krankheiten in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung

IV. Schranken der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB

V. Rechtsfolgen unwirksamer AGB
1. Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen Preisänderungsklauseln in Energieversorgungsverträgen
2. Vorgaben der Klausel-Richtlinie
3. Verhältnis von § 1 UKlaG und § 8 Abs. 1 S. 1 UWG

I. AGB-Begriff

1. Einseitige Rechtsgeschäfte

Da § 305 Abs. 1 S. 1 BGB den Begriff der Vertragsbedingungen verwendet, sind einseitige Rechtsgeschäfte grundsätzlich keine AGB, auch wenn Ausnahmen anzunehmen sind, falls einseitige Erklärungen in Zusammenhang mit einer rechtlichen Sonderbeziehung stehen. 1 Vor diesem Hintergrund hatte der BGH noch Ende 2020 Gelegenheit, zur AGB-rechtlichen Qualifikation der Gemeinschaftsordnungen von Wohnungseigentümern Stellung zu nehmen. In Übereinstimmung mit dem geschilderten Grundsatz, dass einseitige Rechtsgeschäfte nicht als AGB zu qualifizieren sind, unterliegen Gemeinschaftsordnungen nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. 2 Da der teilende Eigentümer jedoch Regelungen vorgeben kann, die ihn – ähnlich wie einen Verwender von unangemessenen AGB – insbesondere in der Aufteilungsphase einseitig begünstigen, findet eine Inhaltskontrolle nach § 242 BGB statt. 3

2. Vorformulierung für eine Vielzahl von Verträgen

Formularverträge, die vor Vertragsschluss zu ergänzende Lücken aufweisen, sind dann keine AGB, wenn entweder das Merkmal der Vorformulierung für eine Vielzahl von Verträgen nicht erfüllt oder eine Individualvereinbarung anzunehmen ist. 4 Jedenfalls unselbständige Ergänzungen eines Lückentextes lassen den AGB-Charakter nicht entfallen. 5

Eine Ausnahme ist aber dann anzunehmen, wenn ein Vertragsformular eine offene Stelle enthält, die vom Vertragspartner des Verwenders nach seiner freien Entscheidung als selbständige Ergänzung auszufüllen ist, ohne dass vom Verwender vorformulierte Entscheidungsvorschläge hinzugefügt wurden, und wenn erst die individuellen Ergänzungen den wesentlichen In-MDR 2022, 858halt der Klausel festlegen. 6 Nach einem Urteil des OLG Frankfurt ist dies etwa dann der Fall, wenn das Antragsformular für eine Risikolebensversicherung dem Versicherungsnehmer die freie Wahl lässt, ob und wie er eine Begünstigungserklärung hinsichtlich des Bezugsrechts einer namentlich zu bezeichnenden Person vornimmt. 7

Vergleichbare Maßstäbe legt auch der BGH an, nach dem beispielsweise die Klausel

„Die Baukosten für die Baumaßnahme dürfen den Betrag von ... Euro brutto/Euro netto nicht überschreiten.“

nicht der Transparenzkontrolle unterliegt, da sie wegen ihrer Bezogenheit auf das individuelle Bauvorhaben nicht für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist. 8



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.07.2022 13:21
Quelle: Redaktion

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