OLG Oldenburg v. 8.4.2022 - 4 UF 101/21

Leiblicher Vater inhaftiert: OLG Oldenburg entscheidet Fall zur Stiefkindadoption

Heutzutage gibt es immer mehr „Patchwork“-Familien. In manchen Fällen stellt sich dann die Frage, ob eine Adoption eines Kindes durch den neuen Lebenspartner des einen Elternteils in Frage kommt. Dabei ist aber auch das Interesse des Kindes an der Aufrechterhaltung der familiären Bande zu seinem leiblichen anderen Elternteil zu berücksichtigen.

Der Sachverhalt:
Grundsätzlich kann eine Adoption ausgesprochen werden, wenn dies dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Vor allem bei der Stiefkindadoption ist das schützenswerte Interesse des Kindes an der Aufrechterhaltung der familiären Bande zu seinem leiblichen anderen Elternteil zu beachten, wenn dieses Band infolge der Stiefkindadoption durchtrennt würde. Für die Adoption des Kindes durch den Stiefelternteil kann dabei etwa sprechen, dass zwischen Kind und dem durch die Adoption zurücktretenden leiblichen Elternteil keine Beziehung (mehr) besteht, etwa weil dieser verstorben oder unbekannt ist oder die Beziehung so stark gelockert ist, dass sich das zwischen dem Kind und dem leiblichen Elternteil bestehende Eltern-Kind-Verhältnis nur noch als leere rechtliche Hülle darstellt. Als gewichtiger Vorteil der Annahme als Kind kann sich in diesem Fall der Umstand erweisen, dass der Stiefelternteil nach der Annahme des Kindes eine bisher bereits faktisch gemeinsam wahrgenommene elterliche Verantwortung auch rechtlich in Gestalt der gemeinsamen elterlichen Sorge ausüben kann.

Hier beantragte der Stiefvater eines achtjährigen Kindes die Adoption. Der leibliche Vater ist seit 2016 inhaftiert und widersprach der Adoption zunächst. Das AG - Familiengericht - wies den Antrag des Stiefvaters auf Ersetzung der Einwilligung des leiblichen Vaters nach Einholung einer fachlichen Stellungnahme des Jugendamtes und auch den Antrag des Antragstellers auf Adoption mit der Begründung zurück, es fehle die Einwilligung des leiblichen Vaters. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG erklärte der leibliche Vater zunächst seine Einwilligung in die Adoption, nahm diese aber im Hinblick auf die erwartete Haftentlassung wieder zurück.

Das OLG hat die Beschwerde des Stiefvaters zurückgewiesen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Der durch den Ausspruch der Adoption eventuell entstehende Vorteil kann den Nachteil des irreversiblen Abschneidens des rechtlichen Bandes des Kindes zu seinem leiblichen Vater und dessen Verwandten nicht ausgleichen.

Das Kind hat zwar erklärt, dass der von ihm ebenfalls als „Papa“ bezeichnete Stiefvater sich sehr gut um es kümmere, indem er z.B. für das Kind koche und es zur Schule bringe. Das Kind hatte aber ebenso auch den Wunsch geäußert, häufiger Kontakt zu seinem leiblichen Vater haben zu können und diesen ebenfalls als Vater angesehen.

Das Gesetz räumt auch den Stiefeltern z.B. in Angelegenheiten des täglichen Lebens weitreichende rechtliche Befugnisse ein. Folglich muss immer geprüft werden, ob diese rechtliche Flankierung der Stiefeltern nicht ausreichend ist, um dem Interesse des Kindes an der Verfestigung einer zum Stiefelternteil bestehenden sozialen Eltern-Kind-Beziehung Genüge zu tun und deshalb auf eine Adoption verzichtet werden kann. Dies ist vorliegend der Fall.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
§§ 1741 BGB, 27 StAG: Kindeswohldienlichkeit einer Stiefkindadoption
OLG Karlsruhe vom 29.9.2021 - 2 UF 118/20
FamRZ 2022, 293

Rechtsprechung:
§ 1748 IV BGB: Ersetzung der Einwilligung in Stiefkindadoption
OLG Koblenz vom 8.4.2021 - 13 UF 86/21
FamRZ 2022, 295

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.07.2022 15:54
Quelle: OLG Oldenburg PM Nr. 26 vom 30.6.2022

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