OLG Brandenburg v. 19.5.2022 - 13 WF 70/22

Zur Wertberechnung eines Scheidungsverbundverfahrens

Hinsichtlich der Frage, in welcher Weise die Vermögensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen bei der Wertermittlung zu berücksichtigen sind, ist die Rechtsprechung uneinheitlich. Der Senat schließt sich der Auffassung an, nach der der Betrag des beiderseitigen Vermögens der Ehegatten nur in der Höhe berücksichtigt wird, in der es einen Freibetrag von 60.000 € pro Ehegatte und 10.000 € pro minderjährigem Kind übersteigt.

Der Sachverhalt:
Mit angefochtenem Beschluss vom 30.3.2022 hat das Familiengericht den Wert für das Scheidungsverbundverfahren der Beteiligten auf 12.364 € festgesetzt. Dabei fielen 11.364 € auf die Scheidung und 1.000 € auf die Folgesache Versorgungsausgleich. Das Gericht ist von einem Nettoeinkommen der Ehegatten von 2.718 € und 1.070 € ausgegangen, ohne etwaiges Vermögen, dessen Berücksichtigung i.H.v. 7.000 € die Antragstellerin mit dem Scheidungsantrag aus April 2021 verlangt hatte, anzusetzen.

Gegen diese Wertfestsetzung wandte sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Berücksichtigung des Immobiliarvermögens der Antragsbeteiligten forderte unter Hinweis auf den bereits im Scheidungsantrag mitgeteilten Wert des Vermögens von 200.000 €. Das AG hat, nachdem es die Beschwerdeführerin erfolglos zu einer differenzierten Darlegung der einzelnen Vermögenswerte der Ehegatten aufgefordert hatte, der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Zugrundelegung eines auf einer einfachen Schätzung beruhenden Vermögenswerts bei der Festsetzung des Verfahrenswerts komme nicht in Betracht.

Das OLG hat den Beschluss abgeändert und den Wert des Scheidungsverbundverfahrens auf 16.364 € festgesetzt. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Die Gründe:
Für die Wertberechnung des Scheidungsverbundverfahrens gelten gem. § 44 Abs. 1 FamGKG alle in den Verbund einbezogenen Familiensachen (§ 137 FamFG) als ein Verfahren. Der Verfahrenswert errechnet sich dabei gem. § 44 Abs. 2 FamGKG in der Weise, dass zunächst die Einzelwerte aller in den Verbund einbezogenen Verfahren zu ermitteln und danach zu addieren sind.

Das von der Antragstellerseite in nachvollziehbarer Weise mit 200.000 € bezifferte Vermögen der Antragsbeteiligten war gem. § 43 Abs. 1 FamGKG angemessen zu berücksichtigen. Besteht das zu berücksichtigende Vermögen im Wesentlichen in einer Wohnimmobilie, ist bei der Bemessen des Verfahrenswerts in Ehesachen auf den Verkehrswert der Immobilie - nach Abzug von Freibeträgen – abzustellen. Bei der Ermittlung des Wertes des Vermögens durch das Gericht ist dabei von den zu § 3 ZPO aufgestellten Kriterien auszugehen. Die Wertangaben der Parteien stellen dabei widerlegbare Hilfstatsachen für die Richtigkeit des festzusetzenden Streitwerts dar; vor allem, wenn die Wertangaben bereits vor Erlass der Kostenentscheidung abgegeben worden sind, kommt ihnen erhebliches Gewicht zu, es sei denn, die Angaben sind offensichtlich unzutreffend.

Infolgedessen hatte die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis auf die Größe, die Bebauung und die Nutzung der beiden das Vermögen der Ehegatten im wesentlichen bestimmenden Grundstücke hinreichende wertbestimmende Faktoren mitgeteilt, die eine Schätzung des Vermögens auf 200.000 € nachvollziehbar machten. Hinsichtlich der Frage, in welcher Weise die Vermögensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen bei der Wertermittlung zu berücksichtigen sind, ist die Rechtsprechung uneinheitlich.

Der Senat schließt sich der Auffassung an, nach der der Betrag des beiderseitigen Vermögens der Ehegatten nur in der Höhe berücksichtigt wird, in der es einen Freibetrag von 60.000 € pro Ehegatte und 10.000 € pro minderjährigem Kind übersteigt. Nach Abzug des hier abzusetzenden Freibetrags von 120.000 € verbleibt beim insoweit unstreitigen Vermögen der Ehegatten ein Betrag von 80.000 €. Von dem nach Abzug des Freibetrags verbleibenden Restvermögen wird ein prozentualer Anteil ermittelt, der dem dreifachen Nettoeinkommen der Ehegatten hinzugerechnet wird. Auch hinsichtlich der Höhe dieses prozentualen Anteils hat sich eine uneinheitliche gerichtliche Praxis entwickelt. Sie reicht von 2,5 % bis 10 %.

Der Senat hielt es für angemessen, dieses Vermögen mit einem Anteil von 5 %, mithin 4.000 € (80.000 € x 5 %), dem nach den Einkommensverhältnissen zu bemessenden Betrag von 11.364 € hinzuzusetzen. Somit ergab sich ein Wert für die Ehescheidung i.H.v. 15.364 €, zu dem der nicht angefochtene Wert des Versorgungsausgleichs, der erstinstanzlich auf 1.000 € festgesetzt wurde, hinzuzuaddieren ist, so dass ein Wert von 16.364 € errechnet werden konnte.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.07.2022 14:48
Quelle: Landesrecht Brandenburg

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