OLG Frankfurt a.M. v. 25.4.2022 - 29 U 185/20

Unvollständige Grundlagenermittlung eines Architekten führt nicht zur Schadensersatzpflicht für entgangene steuerliche Vergünstigungen

Ein mit der Grundlagenermittlung und Entwurfsplanung beauftragter Architekt hat seinen Auftraggeber über ein denkmalschutzrechtliches Genehmigungserfordernis aufzuklären. Zweck dieser Verpflichtung ist es, den Bauherrn in die Lage zu versetzen, die Realisisierungschancen des Vorhabens einschätzen zu können. Nicht zum Schutzzweck der Verpflichtung gehört es dagegen, den Bauherrn vor etwaigen Steuerschäden im Zusammenhang mit bestehenden Genehmigungserfordernissen zu bewahren. Der Bauherr kann deshalb bei unvollständiger Grundlagenermittlung nicht Ersatz entgangener steuerlicher Vergünstigungen beanspruchen.

Der Sachverhalt:
Die Bauherren beabsichtigten die Sanierung einer Dachgeschosswohnung im Frankfurter Westend und beauftragten einen Architekten mit Architektenleistungen. Dieser klagte vor dem LG ausstehendes Honorar ein. Die Bauherren beriefen sich dagegen u.a. auf Schadensersatzansprüche gegen den Architekten, da fälschlich erklärt worden sei, dass denkmalschutzrechtliche Gesichtspunkte beim Innenausbau unbeachtlich seien. Tatsächlich hätten sie bei richtiger Aufklärung das gesamte Bauvorhaben im Wege einer Sonderabschreibung (§ 7 h EStG) fördern lassen können. Ihnen sei wegen der unrichtigen Aufklärung damit ein Steuerschaden i.H.v. gut 5.000 € entstanden.

Das LG hatte dem Architekten ausstehendes Honorar zugesprochen und den Schadensersatzanspruch der beklagten Bauherren wegen entgangener Steuervergünstigungen abgewiesen. Die Berufung der Bauherren hiergegen hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Der Architekt hat zwar pflichtwidrig nicht über die denkmalschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit aufgeklärt. Auch im Rahmen der hier beauftragten Grundlagenermittlung und Entwurfsplanung muss ein Architekt über die Genehmigungsbedürftigkeit eines Bauvorhabens vollständig und richtig informieren. Die Entwurfsplanung muss zudem genehmigungsfähig erstellt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob bei der Beauftragung der Bauherr zum Ausdruck gebracht hat, bestimmte steuerliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen zu wollen.

Es fehlt aber am Zurechnungszusammenhang zwischen dieser Pflichtverletzung und dem behaupteten Steuerschaden. Grundsätzlich haftet der Vertragspartner bei einer Pflichtverletzung nur für die Schäden, die bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Pflichten gerade verhindert werden sollen. Dieser Schutzzweckzusammenhang liegt hier nicht vor. Die ordnungsgemäße Grundlagenermittlung betrifft zwar auch wirtschaftliche Folgen eines Bauvorhabens; insbesondere soll sie den Bauherrn über die erwarteten Kosten informieren, damit er sich auf einer geeigneten Grundlage für die Durchführung des Vorhabens entscheiden kann. Es besteht aber keine allgemeine Verpflichtung des Architekten, in jeder Hinsicht die Vermögensinteressen des Bauherrn wahrzunehmen. Die Ermittlung der Genehmigungsbedürftigkeit betrifft nicht die wirtschaftlichen Fragen des Bauvorhabens, sondern dient dazu, die Realisierungschancen einschätzen zu können. Sie zielt - jedenfalls ohne weitere Vereinbarung oder besondere Umstände - nicht darauf, dem Besteller die Möglichkeit steuerlicher Vergünstigungen zu erschließen. Solche Vergünstigungen sind vielmehr allein ein „Reflex der Genehmigung“.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung/News:
Prüfungspflicht des Architekten gegenüber dem Sonderfachmann,
LG Flensburg vom 1.4.2022 - 2 O 305/17

Aufsatz:
Aktuelle Entwicklungen im Architekten- und Ingenieurrecht,
Günter Schmeel, MDR 2022, 803

Alles auch nachzulesen im Beratermodul Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht:
Die perfekte Basisausstattung zum Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht finden Praktiker in diesem Berater-Modul. 4 Wochen gratis nutzen!
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.07.2022 10:49
Quelle: OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 53 vom 29.6.2022

zurück zur vorherigen Seite