OLG Bamberg v. 27.6.2022, 2 WF 79/22

Vergütungsanspruch bei krankheitsbedingtem Begutachtungsabbruch

Aus der Verpflichtung zur Übernahme des Gutachtensauftrags gemäß § 407 Abs. 1 ZPO ergibt sich, dass die vom Sachverständigen in Erfüllung des Auftrags getätigten Aufwendungen regelmäßig zu erstatten sind. Ausnahmetatbestände sind grundsätzlich eng auszulegen.

Der Sachverhalt:
In einem Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung gem. §§ 1666, 1666a BGB war die Dipl. Psych. X. im Oktober 2021 mit der Erstattung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens beauftragt worden. Gegenstand der Begutachtung waren Fragen der Erziehungsfähigkeit der Kindseltern sowie einer Rückführung der Kinder in den Haushalt der Kindsmutter.

Kurz darauf wies die X. darauf hin, dass aufgrund der bestehenden Arbeitsbelastung mit einer Bearbeitungszeit von 6 bis 9 Monaten zu rechnen sei. Im Folgenden nahm die Begutachtung zunächst ihren Fortgang. Im Januar 2022 teilte sie mit, dass sie längerfristig erkrankt und die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar sei. Aus diesem Grund bat sie um Entscheidung, ob die Begutachtung bis auf Weiteres ausgesetzt werden oder eine Entpflichtung von der Erstellung des Gutachtens erfolgen solle. Weiterhin übersandte sie am gleichen Tag eine Abrechnung der bisher für ihre Tätigkeit angefallen Kosten über rund 1.393 €.

Die Bezirksrevisorin beim LG wandte gegen eine Entschädigung der Sachverständigen und beantragte die gerichtliche Festsetzung der Vergütung gem. § 4 Abs. 1 JVEG. Es liege eine Teilleistung vor, die für das Gericht oder einen weiteren Sachverständigen nicht verwertbar sei. Nachdem die Gründe für die Nichterbringung der vollständigen Leistung in der Person der beauftragten Sachverständigen selbst lägen, sei eine Vergütung daher zu versagen.

Im Februar 2022 entband das AG die Sachverständige X. von der Erstellung des Gutachtens und beauftragte einen neuen Sachverständigen. Mit weiterem Beschluss aus März 2022 hat das Gericht die an die X. zu zahlende Vergütung entsprechend der Rechnung auf 1.393 € festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich aus den Bestimmungen zum Verlust des Entschädigungsanspruchs gem. § 8a JVEG ergebe, dass eine Vergütung für erbrachte Teilleistungen dann zu gewähren sei, wenn der Sachverständige die Nichtfertigstellung des Gutachtens nicht zu vertreten habe.

Das AG hat die hiergegen gerichtete der Beschwerde der Bezirksrevisorin nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Gründe:
Ein Fall des Wegfalls oder der Beschränkung des Vergütungsanspruchs gem. § 8a JVEG war vorliegend nicht gegeben.

Aus der Verpflichtung zur Übernahme des Gutachtensauftrags gemäß § 407 Abs. 1 ZPO ergibt sich, dass die vom Sachverständigen in Erfüllung des Auftrags getätigten Aufwendungen regelmäßig zu erstatten sind. Ausnahmetatbestände sind grundsätzlich eng auszulegen. Auf jeden Fall kann eine nur teilweise Leistungserbringung nicht mit einer mangelhaften Leistung gem. § 8a Abs. 2 Nr. 2 JVEG gleichgesetzt werden.

Bei Nichterstattung des Gutachtens ist der Sachverständige hinsichtlich seiner Auslagen und seines Zeitaufwandes zu vergüten, wenn er die Nichtfertigstellung nicht zu vertreten hat, insbesondere auch bei unverschuldet krankheitsbedingter Unmöglichkeit der Fortführung der Begutachtung. Auf die Verwertbarkeit der Teilleistung kommt es hierbei nicht an.

Auch die von der Beschwerde angeführten Billigkeitserwägungen gegen eine Tragung der Kosten des Sachverständigen durch die Beteiligten oder die Staatskasse führten zu keinem anderen Ergebnis. Hiergegen sprach bereits, dass die Verfahrensbeteiligten und somit auch der Kostenschuldner im Verfahren nach § 4 JVEG nicht beteiligt waren, so dass die Entscheidung über die Entschädigung nicht zulasten des Kostenschuldners wirkte.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.06.2022 16:04
Quelle: Bayern.Recht

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