LG Berlin v. 2.6.2022 - 64 S 209/21

Regelung über die „Schonfristzahlung“

Grundsätzlich ist es Sache der Mieter, sich nach Zugang einer wirksamen Zahlungsverzugskündigung einen Überblick über ihre eigenen Mietzahlungen zu verschaffen und die Gesamthöhe ihrer Mietschulden zu ermitteln. Abweichendes mag gelten, wenn der Mieter nach den Umständen darauf vertrauen darf, die Mietrückstände seien im Kündigungsschreiben vollständig bezeichnet.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Vermieterin der Beklagten. Sie hatte diese auf Räumung und Herausgabe einer Vierzimmerwohnung in Anspruch genommen. Das AG hat die Beklagten antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt, da ihre innerhalb der Schonfrist geleisteten Zahlungen nicht ausgereicht hätten, die gesamte fällige Miete zu tilgen. Dass die bereits vor November 2019 fällig gewordenen Mietrückstände im Rahmen der Kündigungserklärung vom 23.3.2020 keine Erwähnung gefunden hätten, sei unerheblich; die Beklagten hätten sich nach Zugang der Kündigungserklärung über die Gesamthöhe ihrer Mietschulden vergewissern und den gesamten Rückstand tilgen müssen.

Die Beklagten trugen im Berufungsverfahren vor, die Kündigung aus März 2020 sei durch die innerhalb der Schonfrist geleisteten Zahlungen unwirksam geworden, da die Beklagten alle im Kündigungsschreiben bezeichneten Mietrückstände getilgt hätten. Die früheren Rückstände aus der Zeit Januar bis August 2019 seien damals weder der Klägerin noch den Beklagten bewusst gewesen und inzwischen längst bezahlt. Die Klägerin handele treuwidrig, indem sie ihre Kündigung nachträglich auf diese früheren Rückstände zu stützen und der Schonfristzahlung die Wirkung abzusprechen suche.

Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Gründe:
Das Urteil des AG ist rechtmäßig.

Das Begründungserfordernis für die Kündigungserklärung nach § 569 Abs. 4 BGB und die Regelung über die „Schonfristzahlung“ in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wirken nicht in der Weise zusammen, dass es zur Beseitigung einer fristlosen Kündigung jedenfalls ausreiche, die zum Anlass der Kündigung genommenen und im Kündigungsschreiben bezeichneten Rückstände auszugleichen. Eine wirksame „Schonfristzahlung“ liegt vielmehr nur dann vor, wenn alle offenen Mietforderungen des Vermieters getilgt werden, einschließlich solcher, die schon im Zeitpunkt der Kündigung offen waren, aber im Kündigungsschreiben nicht erwähnt wurden.

Grundsätzlich ist es Sache der Mieter, sich nach Zugang einer wirksamen Zahlungsverzugskündigung einen Überblick über ihre eigenen Mietzahlungen zu verschaffen und die Gesamthöhe ihrer Mietschulden zu ermitteln. Abweichendes mag gelten, wenn der Mieter nach den Umständen darauf vertrauen darf, die Mietrückstände seien im Kündigungsschreiben vollständig bezeichnet.

Mehr zum Thema:

RECHTSPRECHUNG
Wirksamkeit der Schonfristzahlung bei ordentlicher Kündigung
BGH vom 13.10.2021 - VIII ZR 91/20
MDR 2022, 300

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.06.2022 12:59

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