BGH v. 10.3.2022 - I ZR 70/21

Prozessvertretung durch Haftpflichtversicherer

§ 79 Abs. 2 ZPO stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar. Ein Haftpflichtversicherer ist im gegen seinen Versicherungsnehmer geführten Prozess nicht gem. § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ZPO vertretungsbefugt. Eine analoge Anwendung des Begriffs des Streitgenossen auf den Nebeninterventionsberechtigten scheidet bereits aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.

Der Sachverhalt:
Der klagende Rechtsanwalt hatte im Dezember 2018 für einen Mandanten, der von einem Hund gebissen worden war, einen Vollstreckungsbescheid gegen eine bei der Beklagten haftpflichtversicherte, Dame erwirkt. Die Beklagte legte daraufhin für ihre Versicherungsnehmerin Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein.

Der Kläger sah darin eine unlautere Handlung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gem. § 3a UWG. Er war der Ansicht, die Beklagte sei zur Einlegung des Einspruchs prozessrechtlich nicht befugt gewesen, da Haftpflichtversicherer nicht zu den in § 79 Abs. 2 Satz 2 ZPO enumerativ aufgeführten Personen gehörten, die in einem Parteiprozess vertretungsbefugt seien.

Der Kläger beantragte, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es im Rahmen geschäftlicher Handlungen zu unterlassen, in zivilrechtlichen Parteiprozessen ihre Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen zu vertreten, außer wenn sie Streitgenossin des Verfahrens ist und die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht.

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das OLG hat die Klage im Berufungsverfahren abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der BGH die Entscheidung des OLG aufgehoben und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:
Die Beklagte ist gem. § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet. Sie hatte mit der Einlegung des Einspruchs gegen den gegen ihren Versicherungsnehmer ergangenen Vollstreckungsbescheid in einem Parteiprozess eine Partei vertreten, obwohl sie dazu nicht gem. § 79 Abs. 2 ZPO befugt war. Die Bestimmung des § 79 Abs. 2 ZPO ist eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG. Sie dient der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Partei im gerichtlichen Verfahren ist daher geeignet, die Interessen der Verbraucher und der Mitbewerber spürbar zu beeinträchtigen.

Der Anwendungsbereich des § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ZPO ist nicht über den Wortlaut der Bestimmung hinaus dahingehend zu erweitern, dass dem dort aufgeführten Streitgenossen ein Versicherungsunternehmen gleichsteht, dem in dem durch den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingeleiteten Rechtsstreit ein Recht zur Nebenintervention (§§ 66, 68 ZPO) zusteht. Eine analoge Anwendung des Begriffs des Streitgenossen auf den Nebeninterventionsberechtigten scheidet bereits aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Es liegt zudem keine vergleichbare Interessenlage vor. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts gebietet es auch die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit nicht, der Beklagten eine Vertretungsbefugnis gem. § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ZPO zuzubilligen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.06.2022 15:55
Quelle: BGH online

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