BGH v. 26.4.2022 - VI ZR 1321/20

Tierhalterhaftung bei unstreitigem Katzenbiss

Der nicht streitgenössische Nebenintervenient kann keinen Sachvortrag halten, der in Widerspruch zu demjenigen der Partei steht. Der Widerspruch muss nicht ausdrücklich erklärt werden; es reicht, wenn sich aus dem Gesamtverhalten der unterstützten Partei zweifelsfrei ergibt, dass sie die Erklärung des Nebenintervenienten nicht gegen sich geltend lassen möchte. Der Widerspruch der Hauptpartei ist dabei auch dann zu berücksichtigen, wenn er nicht durch einen Rechtsanwalt erklärt wird; er unterliegt nicht dem Anwaltszwang.

Der Sachverhalt:
Der Kläger war im Februar 2014 von einer Katze in die Hand gebissen. Der Kläger behauptete, er sei von der Katze der Beklagten in seinen linken Handballen gebissen worden, als er mit seiner Hand unter eine Schlafcouch gegriffen habe, um sie zusammenzuschieben. Die Katze habe noch an seiner Hand gehangen, als er die Hand hochgehoben habe. Er wurde wegen einer starken Entzündung in einer Unfallklinik sechsmal operiert.

Die Streithelferin der Beklagten, deren privater Haftpflichtversicherer, zahlte auf den vom Kläger geltend gemachten Schaden 1.000 €. In der Folgezeit stellte sie ihre Einstandspflicht allerdings in Abrede. Sie behauptete, der Kläger sei Miteigentümer und Mithalter der Katze. Abgesehen davon sei das von ihm geschilderte Geschehen unplausibel. Wenn die Katze tatsächlich vor Schreck zugebissen hätte, wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger auf der Rückseite seiner Hand, nicht jedoch in den Handballen gebissen worden wäre. Katzen seien nicht bissig, so dass der Kläger das Tier provoziert, geärgert und in die Enge getrieben habe, bevor es zum Biss gekommen sei.

Das LG hat die anwaltlich nicht vertretene Beklagte informatorisch angehört. Sie gab an, die Katze, die alleine ihr gehöre, habe an der Hand des Klägers gehangen. Nach Vernehmung der Tierärztin der Katze und einer Angestellten der Streithelferin als Zeugen sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens auf dem Gebiet der Mobiliar- und Inneneinrichtung hat das LG die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Auf die Revision des Klägers hat der BGH den Beschluss des OLG aufgehoben und die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:
Mit der Begründung des Berufungsgerichts durfte ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 833 Satz 1 BGB nicht verneint werden.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 833 Satz 1 BGB sind auf der Basis des vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachverhalts zu bejahen. Die Vorinstanz hat seiner Entscheidung den Vortrag des Klägers, wonach er von der Katze der Beklagten bei einem Besuch in deren Wohnung gebissen worden sei, als unstreitig zugrunde gelegt; es hat eine Haftung der Beklagten nur deshalb verneint, weil der Kläger den exakten Hergang des Unfalls nicht bewiesen habe. Und das war rechtsfehlerhaft. Denn steht fest, dass der Kläger von der allein von der Beklagten gehaltenen Katze gebissen worden ist, so sind die Voraussetzungen des § 833 Satz 1 BGB erfüllt. Ob die Katze unter dem Tisch oder unter dem Sofa lag und ob der Kläger das Sofa angehoben hat oder lediglich anheben wollte, ist in diesem Zusammenhang irrelevant.

Das OLG hatte zudem übersehen, dass das diesbezügliche Bestreiten der Streithelferin gem. § 67 Satz 1 Halbs. 2 ZPO unwirksam war, weil es im Widerspruch zu den Erklärungen der Beklagten als Hauptpartei stand. Denn der nicht streitgenössische Nebenintervenient kann keinen Sachvortrag halten, der in Widerspruch zu demjenigen der Partei steht. Der Widerspruch muss nicht ausdrücklich erklärt werden; es reicht, wenn sich aus dem Gesamtverhalten der unterstützten Partei zweifelsfrei ergibt, dass sie die Erklärung des Nebenintervenienten nicht gegen sich geltend lassen möchte. Der Widerspruch der Hauptpartei ist dabei auch dann zu berücksichtigen, wenn er nicht durch einen Rechtsanwalt erklärt wird; er unterliegt nicht dem Anwaltszwang.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.06.2022 08:37
Quelle: BGH online

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