BGH v. 15.11.2021 - NotZ(Brfg) 3/21

Zur Befreiung eines Notars von der Pflicht zur Verschwiegenheit an Stelle eines verstorbenen Beteiligten

Die (höchstpersönliche) Befreiungserklärung eines verstorbenen Beteiligten kann dieser naturgemäß nicht selbst abgeben. Sie wird deshalb nach der Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 2 BNotO durch die Entscheidung der Aufsichtsbehörde ersetzt, nicht aber schon durch den darauf gerichteten Antrag einer anderen Person, deren Persönlichkeitsrechte von der durch die Aufsichtsbehörde anstelle des Verstorbenen getroffenen Befreiungsentscheidung gerade nicht unmittelbar berührt werden.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Notar in Thüringen. Im April 2009 hatte er einen Kaufvertrag über ein Tankstellengrundstück, der eine Vertragsstrafenregelung enthielt, beurkundet. Eine der Vertragsparteien, die O-GmbH, wurde bei der Beurkundung von ihrem - im Jahr 2015 verstorbenen - Geschäftsführer R. vertreten. In der Folgezeit kam es zwischen den Vertragsparteien zu einem die Vertragsstrafenregelung betreffenden Rechtsstreit vor dem LG andgericht. Im Rahmen dieses Rechtsstreits soll der Kläger zu den Umständen des Zustandekommens der Regelung als Zeuge vernommen werden.

Nachdem der Kläger für sich ein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch genommen hatte, das sich - so seine Auffassung - aus seiner Eigenschaft als beurkundender Notar ergebe, entschied das LG im März 2016 durch Zwischenurteil, dass ihm ein solches Recht nicht zustehe. Das OLG hob dieses Urteil im Juni 2016 mit der Begründung auf, der (hiesige) Kläger sei von seiner Pflicht zur Verschwiegenheit nicht wirksam befreit worden. Hierauf stellte die Prozessbevollmächtigte der O-GmbH im Juni 2017 beim Beklagten den Antrag, den Kläger von der notariellen Verschwiegenheitspflicht zu befreien, weil der verstorbene R. die Befreiung nicht mehr erteilen könne. Daraufhin befreite der Beklagte den Kläger im August 2017 gem. § 18 Abs. 2 Halbs. 2 BNotO an Stelle des verstorbenen R. von der Pflicht zur Verschwiegenheit hinsichtlich der Umstände über das Zustandekommen der Vertragsstrafenregelung.

Da sich der Kläger weiterhin auf ein ihm zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht berief, erging im November 2017 im Rechtsstreit vor dem LG ein weiteres, ein Zeugnisverweigerungsrecht des Klägers verneinendes Zwischenurteil, das vom OLG auf die Beschwerde des Klägers aber wiederum aufgehoben wurde, weil der Kläger - so die Begründung - am Zwischenstreit nicht als Partei beteiligt worden und ihm rechtliches Gehör nicht gewährt worden sei. Im Januar 2019 erging ein neuerliches Zwischenurteil, das ein Zeugnisverweigerungsrecht des Klägers verneinte; die vom Kläger hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wies das OLG zurück.

Daraufhin wandte sich der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten aus August 2017 und beantragte festzustellen, dass die dort enthaltene Entscheidung nichtig ist. Das OLG hat die Klage abgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom BGH abgelehnt.

Gründe:
Dem Kläger ist es nicht gelungen, einen durchgreifenden Grund für die Zulassung der Berufung darzulegen (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO, § 111d Satz 2 BNotO).

Der Kläger verkennt, dass das OLG die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht daran hat scheitern lassen, dass über den Streitgegenstand dieses Verfahrens bereits anderweitig, nämlich durch das Zwischenurteil aus Januar 2019, rechtskräftig entschieden worden wäre. Entscheidend für das OLG war vielmehr, dass der Kläger nur dann ein Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit der Befreiung von der Verschwiegenheitsverpflichtung hätte, wenn eine solche Feststellung Auswirkungen auf seine Verpflichtung zur Aussage im Zivilverfahren hätte, was angesichts des rechtskräftigen Zwischenurteils aber nicht (mehr) der Fall sein könne. Diese, das angefochtene Urteil allein tragende Erwägung stellte der Kläger schon nicht schlüssig in Frage.

Ohne Erfolg berief sich der Kläger weiter auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 111d Satz 2 BNotO. Auf die vom Kläger vorliegend für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage, ob "auch der Antrag nach § 18 Absatz 2 BNotO höchstpersönlich gestellt werden" müsse, kommt es im Streitfall nicht entscheidungserheblich an, weil das OLG die Klage - wie gezeigt - davon unabhängig mit der Erwägung für unzulässig gehalten hat, angesichts des im Zivilverfahren ergangenen, inzwischen rechtskräftigen Zwischenurteils aus Januar 2019 sei die Klage bereits unzulässig, ohne dass insoweit ein Grund zur Zulassung der Berufung vorläge.

Unabhängig davon kann die dargestellte - soweit ersichtlich bislang von niemandem sonst als vom Kläger aufgeworfene - Frage ohne Weiteres dahingehend beantwortet werden, dass der Antrag gegenüber der Aufsichtsbehörde, den Notar gem. § 18 Abs. 2 Halbs. 2 BNotO an der Stelle eines verstorbenen Beteiligten von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit zu befreien, nicht "höchstpersönlich" gestellt werden muss. Auch wenn man das dahingehende Antragsrecht nicht jedermann, sondern nur bestimmten Personen zubilligen will, ist kein Grund ersichtlich, warum das Antragsrecht von diesen Personen nur höchstpersönlich ausgeübt werden können soll. Aus dem Umstand, dass die Befreiung des Notars von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit nach Senatsrechtsprechung ein höchstpersönliches Recht des jeweiligen Beteiligten darstellt, so dass eine Vertretung im Willen hier unzulässig ist, folgt nichts Anderes.

Die (höchstpersönliche) Befreiungserklärung eines verstorbenen Beteiligten kann dieser naturgemäß nicht selbst abgeben. Sie wird deshalb nach der Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 2 BNotO durch die Entscheidung der Aufsichtsbehörde ersetzt, nicht aber schon durch den darauf gerichteten Antrag einer anderen Person, deren Persönlichkeitsrechte von der durch die Aufsichtsbehörde anstelle des Verstorbenen getroffenen Befreiungsentscheidung gerade nicht unmittelbar berührt werden.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.01.2022 10:13
Quelle: BGH online

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