BGH v. 10.11.2021 - VIII ZR 107/20

Fällung eines morschen Baums gehört zur ordnungsgemäßen Gartenpflege

Die Kosten der Fällung eines - wie hier - morschen, nicht mehr standsicheren Baums sind grundsätzlich umlagefähige Kosten der Gartenpflege i.S.v. § 2 Nr. 10 BetrKV. Die Fällung und Beseitigung eines solchen Baums ist regelmäßig eine objektiv erforderliche Maßnahme der Gartenpflege. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte, ist eine Wohnungsgenossenschaft. Sie hatte der Klägerin im Jahr 1978 eine (Genossenschafts-)Wohnung vermietet. Im Jahr 2015 ließ die Beklagte eine seit über 40 Jahren auf dem Anwesen stehende Birke fällen, da der Baum morsch und nicht mehr standfest war. Die Kosten der Baumfällung i.H.v. insgesamt 2.494 € legte die Beklagte im Rahmen der Betriebskostenabrechnung 2015 - mit der insgesamt Gartenpflegekosten von 4.058 € abgerechnet wurden - auf die Mieter um. Auf die Klägerin entfiel von den Kosten des Baumfällens ein Betrag i.H.v. 415 €.

Die Nachzahlung leistete die Klägerin unter Vorbehalt. Später verlangte sie von er Beklagten Rückzahlung der auf die Baumfällung entfallenden Betriebskostennachforderung. Die Klage blieb allerdings an allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Der Klägerin steht ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückerstattung der auf die Kosten der Baumfällung entfallenden Betriebskosten von 415 € nicht zu. Die Klägerin - deren grundsätzliche Pflicht zur Tragung von Betriebskosten nicht im Streit steht – hatte diesen Betrag mit Rechtsgrund geleistet, da die Kosten der Fällung des morschen und nicht mehr standsicheren Baums zu den umlagefähigen "Kosten der Gartenpflege" i.S.v. § 2 Nr. 10 BetrKV gehörten.

Die Frage, ob zu den Gartenpflegekosten auch diejenigen der Fällung eines (morschen, nicht mehr standsicheren) Baums zählen, hat der Senat bislang noch nicht entschieden und ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte sowie in der Literatur umstritten. So werden teilweise Baumfällkosten generell als nicht umlagefähig angesehen, wobei zur Begründung einerseits darauf abgestellt wird, es handele sich nicht um "laufende Kosten" i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrKV, andererseits (auch) darauf, dass der Vermieter mit der Fällung eines - wie hier - morschen und nicht mehr standfesten Baums lediglich eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht erfülle oder einen Mangel der Mietsache beseitige.

Nach anderer Ansicht fallen die Kosten der Fällung eines alters-, krankheits- oder umweltbedingt abgängigen, d.h. allmählich absterbenden, Baums unter die Bestimmung des § 2 Nr. 10 BetrKV, weil die Beseitigung eines solchen Baums zur ordnungsgemäßen Gartenpflege gehöre. Diese Auffassung verdient den Vorzug. Denn die Kosten der Fällung eines - wie hier - morschen, nicht mehr standfesten Baums zählen zu den Kosten der Gartenpflege i.S.v. § 2 Nr. 10 BetrKV. Die Fällung und Beseitigung eines solchen Baums ist regelmäßig eine objektiv erforderliche Maßnahme der Gartenpflege. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 2 Nr. 10 BetrKV. Zwar sind dort Baumfällarbeiten nicht ausdrücklich genannt. Jedoch sind nach dieser Vorschrift die Kosten der Gartenpflege Betriebskosten i.S.v. § 1 BetrKV und gehören hierzu (unter anderem) die Kosten der Pflege gärtnerisch angelegter Flächen einschließlich der Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen.

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei Bäumen sowohl um (verholzte) Pflanzen als auch um Gehölze in diesem Sinne handelt. Denn der Begriff des "Gehölzes" umschreibt nach allgemeinem Sprachgebrauch von dem ersichtlich auch der Verordnungsgeber ausgegangen ist, entweder allgemein eine Pflanze, deren Stamm und Äste verholzen, oder eine geschlossene Ansammlung solcher Pflanzen im Sinne von Wald, Wäldchen, Hain, Hecke oder Gebüsch (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl., Band 3, Stichwort "Gehölz"; siehe auch "Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute", abzurufen unter https://www.dwds.de/wb/Gehölz). Eine Beschränkung auf "Gehölze" einer bestimmten Größe oder Art ergibt sich aus dem Wortlaut des § 2 Nr. 10 BetrKV nicht.

Der Umstand, dass in der Erläuterung des § 2 Nr. 10 BetrKV lediglich die "Erneuerung" von Pflanzen und Gehölzen und nicht deren Entfernung erwähnt wird, steht einer Umlagefähigkeit von (bloßen) Beseitigungskosten nicht entgegen. Denn zum einen unterfällt das Entfernen von Pflanzen und Gehölzen bereits dem (Ober-)Begriff der "Gartenpflege". Hierzu zählen sämtliche Maßnahmen, die objektiv dem Erhalt der Gartenanlage als solche infolge eines Pflegebedarfs dienen. Dies erfordert nicht nur Arbeiten, die dem Erhalt einzelner Pflanzen und Gehölze dienen, sondern auch deren Entfernung, wenn sie krank, abgestorben oder - wie hier im Falle eines Baums - morsch und nicht mehr standsicher sind. Denn solche Umstände beeinträchtigen die Gartenanlage als Ganzes. Zum anderen setzt eine "Erneuerung" von Pflanzen und Gehölzen regelmäßig deren vorherige Entfernung voraus. Daher bedurfte es entgegen der Ansicht der Revision einer ausdrücklichen Nennung der "Entfernung" in § 2 Nr. 10 BetrKV nicht.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.12.2021 14:51
Quelle: BGH online

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