Aktuell in der MDR

Gewerberaummiete – Die Entwicklungen der Rechtsprechung im 1. Halbjahr 2021 (Burbulla, MDR 2021, 1500)

Das erste Halbjahr 2021 stand erneut im Blickpunkt der Corona-Pandemie. In diesem Zusammenhang sind nunmehr verschiedene (divergierende) obergerichtliche Entscheidungen zu Mietzahlungspflichten von Mietern in Schließungszeiten („Lockdown“) ergangen. Zudem gab es weitere Entscheidungen zu den mietrechtlichen „Klassikern“ wie der Schriftform, den Betriebs- und Nebenkosten, Kündigungsrechten und Schadensersatzansprüchen. Nicht zuletzt waren erste Auswirkungen in der Rechtsprechung nach dem Aus der formularvertraglichen Klauselkombination aus Betriebspflicht, Sortimentsbindung und Konkurrenzschutzausschluss zu verzeichnen.


I. Abgrenzung zu anderen Vertragsarten

1. Vertrag über die Aufstellung eines Geldautomaten

2. Lagervertrag

II. Vergaberecht: Mietvertrag als öffentlicher ausschreibungspflichtiger Bauauftrag

III. Schriftform (§ 550 BGB)

1. Anforderungen an die Unterschrift (§ 126 BGB)

2. Bestimmbarkeit des Mietgegenstandes  (Fotomontage)

3. Heilende Wirkung von Nachträgen

4. Vollständigkeitsklauseln

5. „Doppelte“ (qualifizierte) Schriftformklausel

IV. Mietforderungen im Zusammenhang mit der  Covid-19-Pandemie

1. Kein Mietmangel (§ 536 BGB)

2. Keine Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB)

3. Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)

a) Wirtschaftlich unzumutbare Beeinträchtigung des Mieters

b) Bloße Umsatzrückgänge

c) BGH, Revision gegen OLG Dresden, Urt. v. 24.2.2021 – 5 U 1782/20

4. Keine Kündigungsrechte wegen Corona-bedingter Beschränkungen

V. Betriebs- und Nebenkosten

1. Maßstäbe für formell ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung in der Gewerberaummiete

2. Unwirksamkeit der Verschärfung der Ausschlussfrist in AGB

3. Beifügung von Belegen

4. Rechtzeitiger Zugang der Betriebskostenabrechnung

VI. Fiktive Schadensberechnung im Gewerberaummietrecht

VII. Verjährung von Schadensersatzansprüchen (§ 548 BGB)

VIII. Vertragsimmanenter Konkurrenzschutz im Einkaufszentrum bei unwirksamer Klauselkombination

IX. Prozessuales

1. Ermittlung der Mietminderungsquote im selbständigen Beweisverfahren

2. Streitwert: Klage auf Abschluss eines Pachtvertrages

X. Insolvenzrecht

1. Raummiete im Monat der Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeit

2. Zustandsstörerhaftung für Containerentsorgung



I. Abgrenzung zu anderen Vertragsarten

Die Immobiliarmiete ist von anderen Rechtsverhältnissen, soweit sie sich auf Grundstücke, Gebäude oder Gebäudeteile erstrecken abzugrenzen. Denn je nach vertraglicher Einordnung gelten unterschiedliche gesetzliche Vorgaben.

1. Vertrag über die Aufstellung eines Geldautomaten

Ein Vertrag, bei dem sich die Verpflichtung des Vermieters darauf beschränkt, einem Automatenaufsteller gegen ein monatliches Entgelt eine Teilfläche der von ihm gemieteten Räumlichkeiten zur Aufstellung eines Geldautomaten zur Verfügung zu stellen, ist rechtlich als Mietvertrag zu qualifizieren, weil das Vertragsverhältnis durch die typischen mietvertraglichen Hauptleistungspflichten der Überlassung des Mietobjekts zur vertragsgemäßen Nutzung gegen Zahlung eines Entgelts (§ 535 Abs. 1 und 2 BGB) geprägt wird.Auf einen solchen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr abgeschlossenen Vertrag findet daher gem. § 578 Abs. 2 BGB das Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB Anwendung, welches hingegen nicht bei (Spiel-)Automaten-Aufstellverträgen gilt. Letztere sind als Gestattungsverträge eigener Art zu behandeln.Sie zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass der (Spiel-)Automat in den gewerblichen Betrieb eines anderen zum Nutzen beider Vertragspartner eingebunden wird; es steht daher nicht die entgeltliche Gewährung des Gebrauchs der Aufstellfläche im Vordergrund.

2. Lagervertrag

Die Miete von Gebäudeflächen zum Unterstellen von beweglichen Sachen kann als typengemischter Vertrag auch verwahrungsrechtliche Elemente enthalten. Das maßgebliche Unterscheidungskriterium zwischen einem Mietvertrag über eine Lagerfläche gem. § 535 BGB und einem Lagervertrag gem. § 467 HGB bzw. nach § 688 BGB ist insoweit, ob im Rahmen der Vereinbarung eine Obhuts- und Verwahrungspflicht als Hauptpflicht übernommen wird (dann Lagervertrag) oder nicht (dann Mietvertrag über eine Lagerfläche).Denn der Mietvertrag einerseits und der Lagervertrag andererseits unterscheiden sich dadurch, dass beim Lagervertrag der Lagerhalter selbst oder ein von ihm beauftragter Dritter die Lagerung und Aufbewahrung besorgt, während beim Mietvertrag über die Lagerfläche der Mieter selbst lagert und aufbewahrt. Entscheidend sind der nach dem Vertragswillen erkennbar werdende Vertragszweck und die Interessenlage der Vertragsparteien. Sind sich die Parteien darüber einig, dass lediglich eine Lagerfläche überlassen werden soll, ist von einem Mietvertrag auszugehen. Hierfür kann vor allem die Preisgestaltung der monatlich zu zahlenden, als solche auch bezeichneten, Lagerraummiete sprechen. Unschädlich ist es, dass der Mieter keinen eigenen freien Zugang zur Lagerfläche hat. Bei einem Bankschließfach, einer Kühlhauszelle oder der Überlassung eines Hotelzimmers, zu denen der Mieter in der Regel ebenfalls keinen uneingeschränkten eigenen Zugang hat, nimmt die Rechtsprechung gleichfalls einen Mietvertrag an.Die Verwendung und Bezeichnung eines „Lagerübernahmeprotokolls“ für sich begründet nicht die Annahme eines Lager- oder Verwahrungsvertrags. Die Bezeichnung des Vertrags selbst ist nur Anhaltspunkt für die Qualifizierung des von den Parteien gewollten Vertrages.

II. Vergaberecht: Mietvertrag als öffentlicher ausschreibungspflichtiger Bauauftrag

Die Anmietung eines noch zu errichtenden Gebäudes (Bauverpflichtung) fällt unter die Bereichsausnahme für Immobilienbedarfsgeschäfte, wenn die Bauverpflichtung im Mietvertrag nicht als öffentlicher Bauauftrag zu qualifizieren ist. Ein ausschreibungspflichtiger öffentlicher Bauauftrag liegt vor, wenn (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.12.2021 13:02
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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