Aktuell in der MDR

Gesetz zur Anpassung des Finanzdienstleistungsrechts (Kirchner, MDR 2021, 1361)

Am 15.6.2021 ist das Gesetz zur Anpassung des Finanzdienstleistungsrechts an die Rechtsprechung des EuGH v. 11.9.2019 – C-383/18, ZIP 2019, 1905; v. 26.3.2020 – C-66/19, MDR 2020, 615 (BGBl. I 2021, 1666) in Kraft getreten. Das Verbrauchdarlehensrecht wird in wesentlichen Punkten umgestaltet und die Kreditwirtschaft zum Handeln gezwungen. Maik Kirchner gibt einen Überblick über die neue Rechtslage.


I. Einleitung

II. Neues Belehrungsmuster für Allgemein-Verbraucherdarlehen

1. Unzulässigkeit eines Kaskadenverweises (EuGH v. 26.3.2020 – C-66/19)

2. Auswirkungen auf die weitere BGH-Rechtsprechung

a) Immobiliarverbraucherdarlehen: Keine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung

b) Allgemein-Verbraucherdarlehen: Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung

3. Reaktion des Gesetzgebers: Neufassung der gesetzlichen Widerrufsinformation zu Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen

a) Inhalt

b) Praktische Probleme bei der Umsetzung

c) Hinweis für die Praxis

III. Neufassung des § 501 BGB

1. Ermäßigung der Gesamtkosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung (EuGH v. 11.9.2019 – C-383/18)

2. Ausgangslage im deutschen Recht

3. Verschiedene Fälle der vorzeitigen Kreditrückzahlung

a) Vorzeitige Erfüllung nach § 501 Abs. 1 BGB i.V.m. § 500 Abs. 2 BGB

b) Rückführung aufgrund einer vorhergehenden Kündigung i.S.v. § 501 Abs. 2 BGB

c) Ausblick

IV. Fazit


I. Einleitung

Der Gesetzgeber sah sich infolge des EuGH-Urteils v. 26.3.2020 gezwungen, das bisher geltende Belehrungsmuster für Allgemein-Verbraucherdarlehen nach Anlage 7 EGBGB zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB zum Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB zu ändern, nachdem der EuGH den dort vom deutschen Gesetzgeber verankerten sog. „Kaskadenverweis“ für nicht mit europäischen Recht vereinbar erklärt hat. Daneben hat der Gesetzgeber § 501 BGB neu gefasst und damit den Anforderungen des EuGH in der sog. „Lexitor-Entscheidung“ Rechnung getragen, wonach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG (im Folgenden: Verbraucherkreditrichtlinie) dergestalt zu verstehen ist, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Kreditrückzahlung auch laufzeitunabhängige Kosten und damit sämtliche dem Verbraucher auferlegte Kosten umfasst.

II. Neues Belehrungsmuster für Allgemein-Verbraucherdarlehen

1. Unzulässigkeit eines Kaskadenverweises (EuGH v. 26.3.2020 – C-66/19)


Mit dem Urteil „Kreissparkasse Saarlouis“ hatte der EuGH v. 26.3.2020 – C-66/19 auf ein Vorabentscheidungsersuchen gem. Art. 267 AEUV auf Vorlage des LG Saarbrücken zu einem Immobiliarverbraucherdarlehen zu Art. 10 Abs. 2 lit. p der Verbraucherkreditrichtlinie entschieden. Art. 10 Abs. 2 lit. p der Verbraucherkreditrichtlinie stehe einer Regelung in Widerrufsinformationen zu Verbraucherdarlehensverträgen dann entgegen und sei auch dementsprechend auszulegen, wenn diese Regelung hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten und geforderten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweise, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats Bezug nehme (sog. „Kaskadenverweisung“).

Damit stellte der EuGH auch gleichzeitig klar, dass der seit 30.7.2010 im deutschen Belehrungsmuster nach Anlage 6 EGBGB a.F. (ab 13.6.2014 Anlage 7 EGBGB) vorgesehene „Kaskadenverweis“ den Anforderungen der Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 10 Abs. 2 lit. p) nicht gerecht wird. Dies insbesondere deshalb, weil Art. 10 Abs. 2 lit. p der Verbraucherkreditrichtlinie dahin zu verstehen sei, dass ein Verbraucherdarlehensvertrag die nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie maßgeblichen Modalitäten für den Fristbeginn in klarer und prägnanter Form enthalten müsse. Dabei dürfe die Widerrufsinformation – wie jedoch im deutschen Belehrungsmuster mit dem „Kaskadenverweis“ praktiziert – nicht so ausgestaltet sein, dass die für den Fristbeginn erforderlichen Angaben auf eine nationale Rechtsvorschrift verweisen, welche wiederum auf weitere nationale Rechtsvorschriften Bezug nehmen.

Bemerkenswert an dieser Entscheidung war, dass das streitige grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen gem. Art. 2 Abs. 2 lit. a der Verbraucherkreditrichtlinie schon nicht in deren Anwendungsbereich fiel und es prima facie keiner Entscheidung durch den EuGH bedurfte. Gleichwohl fühlte sich der EuGH in dieser Sache berufen, zu entscheiden, weil – so seine ständige Rechtsprechung – die Entscheidungserheblichkeit durch das vorlegende nationale Gericht zu beurteilen sei und er nur in begrenzten Ausnahmefällen seine Zuständigkeit für das ihm vorgelegte Auslegungsersuchen ablehnen dürfe. Zudem könne er auch dann entscheiden, wenn nationales Recht zwar nicht unmittelbar von einem Unionsrechtsakt erfasst sei, es sich aber nach den in diesem Rechtsakt getroffenen Regelungen ausgerichtet habe. Nachdem der deutsche Gesetzgeber die Vorschriften der Verbraucherkreditrichtlinie auch für Immobiliarverbraucherdarlehen umgesetzt habe, sei der EuGH nach seinem Verständnis zur Entscheidung befugt.

2. Auswirkungen auf die weitere BGH-Rechtsprechung

a) Immobiliarverbraucherdarlehen: Keine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung


Der BGH hat die Entscheidung des EuGH unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung aufgegriffen und für Immobiliarverbraucherdarlehen unter Heranziehung von Art. 2 Abs. 2 lit. a der Verbraucherkreditrichtlinie klargestellt, dass (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.11.2021 12:35
Quelle: Verlag dr. Otto Schmidt

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