LG Osnabrück v. 27.10.2021 - 18 O 184/21

Corona: Kein Recht auf Einstellungen der Zahlung von Gewerberaummiete

Ein Anspruch auf Einstellung von Gewerberaummiete besteht nach einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung nicht grundsätzlich. Es kann wegen der Unwägbarkeiten in Erwägung gezogen werden, dass die Nachteile solidarisch von beiden Parteien getragen werden. Eine solche Anpassung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn das Festhalten am Vertrag für den Mieter unzumutbar ist. Hierzu sind die konkreten Auswirkungen für beide Vertragsparteien zu berücksichtigen.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte verfügt in Deutschland über mehrere hundert Warenhäuser. Sie zahlte für eines ihrer Geschäftslokale im April 2020 die vereinbarte Miete nicht. Zuvor hatte sie mit gleichlautenden Schreiben ihren Vermietern, u.a. auch der Klägerin, mitgeteilt, dass sie die Mietzahlungen einstelle und erwarte, dass während der von der WHO angekündigten offiziellen Dauer der COVID-19 Pandemie eine Reduzierung der Miete und anderer Nutzungsentgelte erfolge, die dem Rückgang des "Verkehrs" entspreche. Für den Zeitraum nach der Pandemie erwarte sie von den Vermietern weitere Mietanpassungen und andere relevante Unterstützungen.

Die Klägerin ist der Ansicht, ein Sachmangel der Mietsache i.S.d. BGB bestehe nicht, da die Beklagte in der Nutzung der Räume frei sei. Darüber hinaus sei der Vertrieb von Waren auf anderem Weg noch möglich. Schließlich treffe die Beklagte das Verwendungsrisiko der Räumlichkeiten. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie machte u.a. geltend, dass durch die öffentlich-rechtliche Schließungsanordnung die Tauglichkeit der Mietsache zur vertraglichen Nutzung aufgehoben sei. Die Zugänglichkeit eines Geschäftslokals für den Publikumsverkehr sei eine Grundbedingung einer einzelhandelsgewerblichen Vermietung. Jedenfalls liege eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, was zu einem vollständigen Wegfall der Mietzahlungspflicht führe.

Das LG wies die Klage ab. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat die Möglichkeit Berufung zum OLG einzulegen.

Die Gründe:
Das Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko trifft beim Gewerberaummietvertrag den Mieter. Eine Vereinbarung zu Besucher- und Kundenfrequenz ist nicht getroffen worden. Die behördlich verordneten Beschränkungen rechtfertigen nicht die Annahme eines Mangels von zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts vermieteten Räumlichkeiten.

Die Gründe, die zu den angeordneten Nutzungs- und Betriebsbeschränkungen geführt haben, beruhen weder auf dem baulichen Zustand noch auf der Lage der Mietsache. Ebenso wenig entfalle der Anspruch der Klägerin wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage. Die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie für den Einzelhandel waren zwar nicht vorhersehbar. Sie sind jedoch weder dem Risikobereich der Klägerin noch demjenigen der Beklagten zuzuordnen. Es kann wegen der Unwägbarkeiten in Erwägung gezogen werden, dass die Nachteile solidarisch von beiden Parteien getragen werden. Eine solche Anpassung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn das Festhalten am Vertrag für die Beklagte unzumutbar ist. Hierzu sind die konkreten Auswirkungen für beide Vertragsparteien zu berücksichtigen.

Vorliegend war das Vorbringen der Beklagten nicht ausreichend, um das Festhalten am Vertrag als unzumutbar zu bewerten. Zum einen waren nicht sämtliche Mitarbeiter in Kurzarbeit. Zum anderen bestand die Möglichkeit des Online-Handels. Schließlich widerspricht das Verhalten der Beklagten auch den Grundsätzen eines ehrbaren Kaufmannes. Die Beklagte hat in ihrer Mitteilung über die Zahlungseinstellung gegenüber der Klägerin sowie ihren weiteren Vermietern unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, einseitig Risiken auf die Klägerin sowie die weiteren Vermieter abwälzen zu wollen, ohne - in Anbetracht der für alle Marktteilnehmer neuen Situation - nach einer konstruktiven Lösung zu suchen. Unter Berücksichtigung dessen kann die Beklagte nicht erwarten, im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung eine Reduzierung der Mietzahlungsverpflichtung zu erreichen.

Mehr zum Thema:

  • Rechtsprechung: Geschäftsraummiete während „Corona-Schließung“ vollumfänglich zu zahlen (MietRB 2021, 329)
  • Gewerberaummiete - Die Entwicklungen der Rechtsprechung im 2. Halbjahr 2020 (Burbulla, MDR 2021, 849)
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.11.2021 13:02
Quelle: LG Osnabrück PM Nr. 44 vom 11.11.2021

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