Aktuell in der MDR

Die Rechtsprechung zum Erbrecht (Große-Wilde, MDR 2021, 1312)

Der Überblick schließt an den Bericht über die 1. Hälfte des Jahres 2020 (Große-Wilde, MDR 2021, 788) an. Der Berichtszeitraum umfasst die wichtigsten Entscheidungen v. 1.7.2020 bis 31.12.2020. Die Entwicklung wird im Wesentlichen geprägt durch die Fortentwicklung auf bestehender rechtlicher Grundlage. Zum 1.1.2020 ist das Bundesteilhabegesetz in Kraft getreten, dass Auswirkungen auf die zukünftige Fassung von Behindertentestamenten hat. Weitere erhebliche Gesetzesänderungen sind im Berichtszeitraum nicht erfolgt.


I. Vererblichkeit/Gesetzliche Erbfolge

II. Testament und Erbvertrag

1. Testamentserrichtung

2. Testamentsauslegung

3. Ersatz‑, Vor‑, Nacherbe, Vermächtnis

4. Gemeinsames Testament und Erbvertrag

5. Testamentsvollstreckung

III. Ausschlagung, Erbenhaftung

1. Ausschlagung

2. Nachlasspflegschaft/Nachlassverwaltung

3. Nachlasshaftung

IV. Erbengemeinschaft

V. Pflichtteil

1. Allgemeines

2. Wertermittlung

3. Pflichtteilsergänzung

4. Auskunft

5. Verjährung/Pflichtteilsentziehung

VI. Randgebiete

1. Verfahrensfragen

2. Kosten

3. Internationales Recht

4. Steuerfragen

5. Sonstiges


I. Vererblichkeit/Gesetzliche Erbfolge

Ist ein soziales Netzwerk (Facebook) verpflichtet, Zugang zum vollständigen Benutzerkonto und den darin enthaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, kann dies nicht mit Übersendung eines USB Sticks mit einer PDF-Datei von 14.000 Seiten erfolgen. Es muss vielmehr den Zugang ebenso wie dem früheren Inhaber einräumen. Mit dieser Entscheidung, die die Rechtsnachfolge des Erben in die Position des Erblassers klar verdeutlicht, dürfte die Diskussion um den digitalen Nachlass einen vorläufigen Endpunkt gefunden haben.

II. Testament und Erbvertrag

1. Testamentserrichtung

Ein Testament kann auch dadurch errichtet werden, dass der Erblasser zu verschiedenen Zeitpunkten und in gesonderten Urkunden für sich genommen unvollständige Erklärungen errichtet, die jeweils die Form des § 2247 BGB wahren und insgesamt ein vollständiges Testament bilden. Durch Niederschrift eines Testaments auf einem Holztisch mit einem Filzstift ist die Testamentsform nur dann gewahrt, wenn das „Testament“ durch Unterschrift des Erblassers abgeschlossen ist. Das Drapieren eines Widerrufs einer anderen Erbeinsetzung auf dem Tisch kann das nicht ersetzen.

Ist in einem eigenhändigen Testament die Person des Erben nicht konkret bezeichnet, sondern wird auf eine nicht in Testamentsform erstellte Anlage verwiesen, so ist die Erbeinsetzung nur dann formgültig, wenn für einen mit den Verhältnissen vertrauten Dritten aus dem Testament selbst erkennbar ist, wer Erbe sein soll (hier nicht möglich).

Änderungen eines Testaments können zwar grundsätzlich auch auf der Kopie eines eigenhändigen Testaments erfolgen, müssen dann aber jeweils mit einer Unterschrift des Erblassers versehen sein.

Gelangt im Erbscheinverfahren ein Gutachter zur Überzeugung, dass die Unterschrift unter dem Testament mit mindestens 90 % Wahrscheinlichkeit vom Erblasser stammt, ist der Beweis der Urheberschaft als geführt anzusehen. Eine Wahrscheinlichkeit von 75 % genügt demgegenüber noch nicht.

Liegen 2 zeitlich aufeinanderfolgende Testament vor und enthält das zweite keinen ausdrücklichen Widerruf, können beide Testamente nebeneinander gelten.

2. Testamentsauslegung

Verfügen kinderlose Eheleute in einem gemeinsamen Testament, dass sie sich gegenseitig als Erben einsetzen und der Nachlass nach dem Letztversterbenden zu gleichen Teilen an die gemeinsamen Kinder fallen soll, so kann daraus nicht abgeleitet werden, dass die gesetzliche Erben beider Seiten zu gleichen Teilen eingesetzt wurden.

Sollen die Kinder Schlusserben nach einem gemeinschaftlichen Testament werden, können damit auch lediglich die im Haushalt lebenden Kinder des Ehemanns gemeint sein und nicht eine Tochter der Ehefrau, zu der bei Testamentserrichtung kein Kontakt bestand.

Setzen sich Ehegatten im Testament gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsame Tochter als Erbe des gesamten Vermögens nach dem Letztversterbenden ein, kann dies in der Regel als Schlusserbeinsetzung der Tochter verstanden werden.

Die Formulierung „Keine Verwandten sind erbberechtigt“ kann sich bei einem gemeinschaftlichen Testament von Eheleuten nur auf den ersten Erbfall beziehen. Für den 2. Erbfall muss durch Auslegung ermittelt werden, ob dies als Negativtestament zu verstehen ist. Hierbei kann die systematische Stellung Aufschluss geben.

Bei einem Testament, bei dem nach dem Wortlaut alle Verwandten ausgeschlossen sind, ist im Einzelfall zu prüfen, ob der vollständige Ausschluss des Verwandtenerbrechts sicher feststellbar ist.

3. Ersatz‑, Vor‑, Nacherbe, Vermächtnis

Wird ein Grundstück, das durch eine Grundschuld belastet ist, durch Vermächtnis zugewandt, ist das Vermächtnis (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.11.2021 10:20
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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