BGH v. 21.7.2021 - VII ZB 34/20

Vollstreckungsrecht: Wirksamkeit einer Rechtsnachfolgeklausel mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel

Der BGH hat sich vorliegend mit dem Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei der Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel auseinandergesetzt.

Der Sachverhalt:
Der Gläubiger begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids gegen die Schuldnerin als Rechtsnachfolgerin des Titelschuldners.

Im Dezember 2019 beantragte der Gläubiger beim AG - Vollstreckungsgericht - den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids des AG Coburg in Verbindung mit einer Rechtsnachfolgeklausel vom 1.3.2017. Diese Rechtsnachfolgeklausel, beruhend auf Erbfolge auf Schuldnerseite, ist bei Erteilung mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen und von dem Rechtspfleger unterschrieben worden; nachträglich ist auf dieser Rechtsnachfolgeklausel außerdem händisch ein weiteres Siegel angebracht worden.

Das AG - Vollstreckungsgericht - wies den Gläubiger auf verschiedene Hindernisse hin, die dem Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entgegenstehen würden. Ein drucktechnisch erzeugter Ausdruck des Gerichtssiegels genüge nicht den strengen Anforderungen des § 725 ZPO. Die Vollstreckungsklausel sei zu unterschreiben und mit einem Prägesiegel oder Farbdruckstempel zu versehen. Im vorliegenden Fall wurde das Siegel lediglich drucktechnisch angebracht. Die Erteilung der Vollstreckungsklausel (Unterschrift und Siegelung) stelle einen einheitlichen Vorgang dar - der Ersteller der Vollstreckungsklausel müsse auch das Siegel anbringen. Daher sei die Erteilung einer neuen Vollstreckungsklausel notwendig. Eine bloß nachträgliche Anbringung des Siegels reiche nicht aus. Das AG regte an, vom Prozessgericht eine neue Vollstreckungsklausel erteilen zu lassen, welche den Anforderungen des § 725 ZPO genüge.

Nach Korrektur verschiedener Punkte hat der Gläubiger im März 2020 erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt. Dieses Mal wurde der Gläubiger vom AG insbesondere auf Folgendes hingewiesen:

„Die vorgelegt[e] Vollstreckungsklausel ist ungenügend: Das händische Dienstsiegel wurde nachträglich angebracht. Diese Nachsiegelung wird vom Vollstreckungsgericht Regensburg nicht akzeptiert. Die Vollstreckungsklausel muss mit Unterschrift und Siegel versehen werden. Dies stellt einen einheitlichen Vorgang dar. Es kann nicht 3 Jahre später erst ein wirksames Siegel angebracht werden. Das Mahngericht hat eine neue Klausel zu erteilen, welche erneut zugestellt werden muss."

Der Gläubiger ersuchte sodann das AG Coburg um Erteilung einer neuen Rechtsnachfolgeklausel. Im April 2020 wurde der Gläubiger vom AG Coburg darauf hingewiesen, dass dem Antrag auf Erteilung einer neuen Rechtsnachfolgeklausel nicht entsprochen werden könne, da für einen derartigen Antrag keine Rechtsgrundlage existiere. Die erteilte qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel sei inhaltlich nicht zu beanstanden.

Der Gläubiger beantragte sodann erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beim AG - Vollstreckungsgericht. Dieses wies den Antrag in vollem Umfang zurück. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen diesen Beschluss hat das Beschwerdegericht im Oktober 2020 zurückgewiesen.

Der BGH hat nun der Rechtsbeschwerde des Gläubigers stattgegeben, die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben und die Sache an das AG - Vollstreckungsgericht - zurückverwiesen.

Die Gründe:
Der rechtlichen Nachprüfung hält die Begründung des Beschwerdegerichts nicht stand, mit der es die Rechtsnachfolgeklausel für nicht wirksam erteilt erachtet hat.

Nach § 703b Abs. 1 ZPO werden im Mahnverfahren bei maschineller Bearbeitung Beschlüsse, Verfügungen, Ausfertigungen und Vollstreckungsklauseln mit dem Gerichtssiegel versehen; einer Unterschrift bedarf es nicht. Diese Vorschrift enthält Sonderregelungen für die maschinelle Bearbeitung. Maschinelle Bearbeitung bedeutet grundsätzlich die Bearbeitung durch automatische Datenverarbeitungsanlagen. Ausreichend kann sein, wenn eine teilweise maschinelle Bearbeitung stattfindet.

Durch Gesetz vom 5.12.2012 (Art. 21 Satz 2 des Gesetzes vom 5.12.2012), sind in § 703b Abs. 1 ZPO die Vollstreckungsklauseln aufgenommen worden, um derartige Klauseln, soweit Vollstreckungsbescheide ihrer bedürfen (vgl. § 796 Abs. 1 ZPO), im maschinellen Verfahren zu ermöglichen. Danach wird im Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei Rechtsnachfolgeklauseln auf eine Unterschrift verzichtet.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze genügt die Rechtsnachfolgeklausel vom 1.3.2017 den Anforderungen des § 703b Abs. 1 ZPO. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet, weil die Klausel nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen ist, das einen teilweise automatisierten, für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 703b Abs. 1 ZPO genügenden Verfahrensablauf bei dem Mahngericht belegt.

Der Umstand, dass die Prüfung des Eintritts der Rechtsnachfolge selbst nicht maschinell erfolgt, steht der Anwendung von § 703b Abs. 1 ZPO nicht entgegen. Entsprechendes gilt für die Unterschrift, mit der der Rechtspfleger im Streitfall die Rechtsnachfolgeklausel versehen hat; es handelt sich bei dieser Unterschrift um einen für Zwecke des § 703b Abs. 1 ZPO unschädlichen, nicht notwendigen Zusatz. Für die nachträgliche Anbringung des händisch angebrachten weiteren Siegels gilt Entsprechendes.

Es wird entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, zugleich auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers den erstinstanzlichen Beschluss des AG - Vollstreckungsgericht - aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen, das über den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zu entscheiden haben wird.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.10.2021 14:50
Quelle: BGH online

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